Dass starke Erwartungen bei Fernbehandlungen gewöhnlich mitspielen und manchmal sogar ausreichen, das erhofften Effekt zu zeitigen, heißt freilich nicht, dass sie stets vollauf genügen würden - dass es auf andere Faktoren überhaupt nicht mehr ankäme. Andernfalls müssten reine
Placebo-Behandlungen tatsächlich ebenso wirksam sein wie Geistiges Fernheilen - und dem ist keineswegs so, wie sich im Folgenden zeigen wird. Auch wenn suggestive und Placebo-Effekte in der Praxis häufig vorkommen, können Psi-Faktoren zumindest mitbeteiligt sein. Ähnlich verhält es sich mit Spukfällen, mit vermeintlichen "Jenseitskontakten" von Medien, mit Nahtodeserlebnissen, mit anscheinenden "Erinnerungen an frühere Leben", ja vermutlich mit jeglicher Art von
Psi-Phänomenen: Überall sind psychische Anteile nachweisbar - aber nicht immer erschöpfen sich die Phänomene darin.
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Falls ein Geistheiler bloß Placebos verabreichen würde, dann müsste er um so erfolgreicher sein, je selbstsicherer, je überzeugender, je allmächtiger er auf Kranke wirkt. Doch gerade unter den fähigsten Heilern finden wir erstaunlich viele Persönlichkeiten, die auf den ersten Blick alles andere als charismatisch und vertrauenserweckend wirken. Unter ihnen habe ich äußerst stille, zurückhaltende, geradezu schüchterne Persönlichkeiten kennengelernt, die man am liebsten in den Arm nehmen, trösten und aufmuntern würde: "Sei doch endlich mal stolz auf dich, du kannst wirklich ´was!" Ich bin allerdings auch schon einem cholerischen, rechthaberischen Alkoholiker begegnet, der kettenrauchend in einem schmuddeligen, unaufgeräumten Wohnzimmer praktizierte, das vermutlich seit Wochen nicht mehr gelüftet worden war. Solchen Heilern traue ich eher schon die Rolle eines Anti-Placebos zu - eines Nocebos, um im medizinischen Fachjargon zu bleiben. ("Dieser Kerl muss mir schaden.") Trotzdem haben sie augenscheinlich Erfolg - merkwürdigerweise auch bei einem Patiententyp, der ihr Äußeres, ihr Auftreten, ihre Umgebung anfangs eher entsetzlich und abstoßend findet. Bei Telefonkontakten, wie sie vor Beginn von Fernbehandlungen die Regel sind, geben sich manche Heiler überaus wortkarg, gelegentlich unwirsch und, sobald sie ins Theoretisieren geraten, geradezu wirr - was nicht ausschließt, dass sie anschließend einen Job machen, mit dem die Klienten durchaus zufrieden sind.
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Wäre das Fernbehandeln ein bloßes Placebo, dann müsste es um so besser wirken, je stärker ein Patient an seine Wirkung glaubt. Fernheiler helfen manchmal aber auch Mißtrauischen, ja selbst ausgesprochenen Skeptikern. Andererseits warten viele Patienten, die vom Fernheilen felsenfest überzeugt sind, vergeblich auf ein Wunder - ein Phänomen, auf das bestimmt auch Rehder gestoßen wäre, wenn ihm nicht bloß drei Fälle genügt hätten, um scheinbar Allgemeingültiges abzuleiten.
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Nachdem Fernheilungen begonnen haben, nimmt die weitere Krankengeschichte oft einen Verlauf, den das "Placebo-Argument" allein schwerlich erklären kann. Gäbe starker Glaube allein den Ausschlag, so wäre zu erwarten, dass es mit einem Patienten langsam, aber stetig aufwärts geht: Die Genesung müsste kontinuierlich voranschreiten. Recht häufig tritt aber ein Phänomen auf, das den Erwartungen und Hoffnungen des Patienten diametral entgegengesetzt ist, zumindest anfänglich: Kaum hat der Heiler mit ihm zu arbeiten begonnen, da verschlimmern sich die Symptome vorübergehend, und neue Beschwerden stellen sich ein: Schmerzen, Erbrechen, Durchfall, Fieber und andere heftige Reaktionen können auftreten. Sie überraschen und ängstigen viele Behandelte, weil sie auf einen Rückfall hinzudeuten scheinen. Merkwürdigerweise zeigen sie aber häufig an, dass die Behandlung anschlägt. Die Wahrscheinlichkeit, von einer Fernheilung zu profitieren, wächst erfahrungsgemäß erheblich, nachdem solche Krisen aufgetreten und überstanden sind. Das erinnert an einen Vorgang, der Homöopathen wohlvertraut ist: die sogenannte "Erstverschlimmerung" nach Einnahme eines Präparats, die der Heilung oft vorangeht.
5 Wären Geistige Heilerfolge ausschließlich auf Suggestionen und Placebo-Effekte zurückzuführen, dann müssten vorgetäuschte Behandlungen ebenso wirksam sein wie echte. Wenn ich also bloß so tue, als ob ich einem Kranken "Heilenergie übermittle", während ich in Wahrheit an etwas völlig anderes denke, dann müsste ich damit ebensoviel erreichen, wie wenn ich mich voll und ganz aufs Heilen konzentriere. Die wenigen Studien, die diesem Verdacht nachgegangen sind, deuten aber vielmehr darauf hin, dass konzentriertes Geistiges Heilen deutlich besser hilft.
So teilten Elizabeth Keller und Virginia Bzdek 1986 in einer Studie zum Therapeutic Touch (TT) dreißig Patienten mit Spannungskopfschmerzen zwei Gruppen zu: Während die eine Hälfte fünf Minuten lang «therapeutisch berührt» wurde, erhielten die übrigen eine Scheinbehandlung, bei welcher der Heiler bloß so tat, als kümmere er sich um sie. Zwar vollführte er die üblichen Handbewegungen, für äußere Beobachter von einer echten TT-Behandlung ununterscheidbar - doch im Geist beschäftigte er sich damit, Zahlen zu subtrahieren. Bei den TT-Behandelten ließen Schmerzen daraufhin auffallend häufiger und stärker nach. - In einem anderen Test wurden 90 Patienten, die wegen Herzstörungen in Krankenhäusern lagen, in drei gleich große Gruppen aufgeteilt. Die einen erhielten eine fünfminütige TT-Behandlung; 30 weiteren wurden, wie in Kellers und Bzdeks Versuch, bloß zum Schein die Hände aufgelegt; der Rest blieb unbehandelt. Anschließende psychologische Tests zeigten, dass TT zu einer deutlichen Verminderung von Angst geführt hatte.
Die möglichen Placebo-Anteile einer Fernheilung erklären also keineswegs ausreichend, warum sie wirkt.
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