Weston Kilpatrick aus Kalifornien war gerade zehn Wochen alt, da sorgte er weltweit bereits für Schlagzeilen. Im August 1990 war er mit einem “hypoplastischen Linksherz-Syndrom” zur Welt gekommen: Die linke Herzklappe war stark verkümmert, die linke Herzkammer viel zu klein,
die Hauptschlagader verengt. (Als “Hypoplasie” bezeichnen Mediziner die unvollkommene Ausbildung von Organen und Geweben.) An solchen Schäden sterben Neugeborene gewöhnlich innerhalb von zwei Wochen - es sei denn, es kann rechtzeitig eine Herztransplantation vorgenommen werden. So wurde der kleine Weston in die weltberühmte Universitätsklinik von Loma Linda, Kalifornien, eingeliefert, das amerikanische Mekka der Herzchirurgie. Dort wartete er auf ein Spenderherz.
Währenddessen ereignete sich ein “medizinisches Wunder, für das uns jegliche Erklärung fehlt”, wie Dr. Steven Gundry, führender Spezialist für Herztransplantationen bei Kindern, Mitte Oktober 1990 der Presse mitteilte: Die linke Herzkammer des Säuglings sei ganz plötzlich aus eigener Kraft nachgewachsen, sein Herz habe sich gleichsam “selbst repariert”. “Einen solchen Fall”, räumte Gundry ein, “haben wir noch niemals
erlebt”.
Hätten Angehörige Westons zuvor einen Fernheiler eingeschaltet, so wäre die wundersame Genesung des Kleinen in der Esoterikszene als schlagender Beweis für die beinahe grenzenlose Macht geistiger Heilkräfte gefeiert worden. Doch offenbar war kein Heiler im Spiel. Hier trat Heilung wohl von allein ein, dank eines plötzlich einsetzenden biologischen Mechanismus zur Selbstreparatur, über die jeder menschliche Körper zu verfügen scheint.
Längst haben solche
“Spontanremissionen” (von lat. sponte: von selbst, remittere: sich erholen) die Neugier von Medizinforschern geweckt. Besonders aktiv wird ihnen in der Onkologie nachgespürt.2 Schon Anfang des vorigen Jahrhunderts erschienen die ersten Sammelstatistiken über Fälle von Tumorrückbildungen ohne die “ärztliche Kunst”, und ein Jahrhundert ist es bereits her, dass auf der Internationalen Konferenz für Krebsforschung 1906 gefordert wurde, “dass wir gerade
diesen exzeptionellen Fällen nachspüren sollten, um die näheren Ursachen dieser scheinbaren Ausnahme von der Regel, dass jeder Tumor ad infinitum wächst, herauszufinden”. Wann gilt eine Genesung als “Spontanremission” - nicht nur bei Krebs, sondern bei allen Erkrankungsformen, die gewöhnlich ungebremst fortschreiten? Wenn sie sich teilweise oder vollständig zurückbildet, sich ihr Fortschreiten extrem verzögert oder lang anhaltend stillsteht - obwohl keine ärztlichen
Maßnahmen stattfanden. Könnten “Spontanremissionen” aufgrund von außergewöhnlichen biologische Vorgängen im Körper sämtliche vermeintlichen Wundertaten erklären, die sich Fernheiler zurechnen? Zu diesem Schluss verstieg sich jedenfalls schon der englische Arzt Dr. Louis Rose, nachdem er Anfang der fünfziger Jahre mehreren Dutzend Fernbehandlungen durch Harry Edwards unter die Lupe mahm. Einige hatten eine buchstäblich augenblickliche Genesung zur Folge gehabt. In einem Fall
hatte ein Mann, der fünfzig Jahre lang blind gewesen war, plötzlich sein Augenlicht wiedergewonnen. “Als ich den Augenarzt des Geheilten darauf ansprach”, so berichtet Rose, “zeigte sich dieser in keiner Weise beeindruckt. Er fand nichts Wundersames daran. Vielmehr liege hier ein Fall von spontaner Dislokation einer Augenlinse vor, wie er bei Grauem Star keineswegs selten vorkomme. Dabei verschiebt sich die Linse in ihren Glaskörper zurück. Dieser Vorgang, den wir als
‘Couching’ bezeichnen, kommt durch einen heftigen Stoß oder irgendeine andere gewaltsame Einwirkung zustande. Obgleich ungewöhnlich, ist er eine wohlbekannte klinische Realität.”
Mir selbst sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Menschen begegnet, die sich geradezu schlagartig von schweren, manchmal sogar akut lebensbedrohlichen Erkrankungen erholt haben, während sie bei einem Geistheiler in Behandlung waren. Trotzdem fiel es mir schwer, darin ein Verdienst
ihrer Heiler zu sehen, auch wenn keinerlei begleitende medizinische Behandlung stattgefunden hatte. Denn zum einen übertraf das Ausmaß der aufgetretenen Besserung bei weitem alles, was diese Heiler üblicherweise in ihrer Praxis zustande brachten. Zum zweiten hatten sie sich zuvor oft schon monatelang um die betreffenden Patienten gekümmert, ohne nennenswerte Fortschritte zu erzielen. Manchmal waren es auch radikale Veränderungen im Leben des Patienten selbst - in seinem Umfeld, seinen
Alltagsroutinen, seinen Einstellungen -, deren Heilungspotential er womöglich unterschätzte. Zumindest in solchen Fällen liegt es nahe, von einer “spontanen Selbstheilung” auszugehen, die eher zufällig mit geistigen Behandlungsversuchen einherging. Die Patienten aber schlossen, ebenso wie ihre Heiler, voreilig von Synchronizität auf Kausalität.
Aber ich weigere mich, mit dieser Erklärung jeden geistigen Heilerfolg abzutun. Denn in den Praxen zumindest einiger weniger,
herausragender Heilerpersönlichkeiten kommen schlagartig einsetzende Heilungen selbst von fortgeschrittenen chronischen Leiden derart häufig vor, daß die Unterstellung, sie seien allesamt spontan erfolgt, für die kritische Vernunft zur argen Zumutung wird - umso mehr, je kürzer der zeitliche Abstand zwischen dem Heilversuch und dem Einsetzen von Heilungsprozessen ist. Beispiel Krebs: Zwischen 1900 und 1965 führte die medizinische Fachliteratur weltweit nicht mehr als 176 dokumentierte
Fälle “spontaner Remissionen” von dieser tödlichen Erkrankung auf, im Durchschnitt also weniger als drei pro Jahr. Dass über ein rundes Dutzend solcher Fälle innerhalb weniger Wochen unter den Händen eines einzigen Heilers auftreten soll - wie bei Krassimira D., als sie sich im Juni 1990
vier Wochen lang im bulgarischen Militärkrankenhaus Russe mitarbeitete -, wäre schon ein seltsamer Zufall. Oft setzt die Genesung am selben Tag ein, an dem ihn ein Heiler erstmals in Gang zu setzen versuchte; jahrelange Beschwerden beginnen manchmal binnen Minuten nachzulassen.
Quellenangaben und weitere Literaturhinweise in Fernheilen, Band 2, sowie Geistiges Heilen - Das Große Buch. |