| Die verstehen sehr wenig, die nur das verstehen, was sich erklären lässt. Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916), Schriftstellerin Was ist Geistiges Heilen eigentlich? Dem populärsten Bild zufolge ist ein Heiler vor allem einer, der mit bloßen Händen Gesundheitszauber
betreibt: Während er sie einem Hilfsbedürftigen auflegt, vermittelt er irgendein unsichtbares, garantiert segensreiches Etwas, das rätselhaft zielsicher und wohldosiert dorthin “fließt”, wo es am dringendsten benötigt wird. Ein Geistheiler, so scheint es demnach, kuriert Kranke, indem er sie manuell "bestrahlt". Doch dieses Bild führt in mehrerlei Hinsicht in die Irre.
| |
| Chakra-Therapie, Prana-Heilen und Therapeutic Touch über das Fernbehandeln, Gebets- und Gruppenheilen bis hin zu Exorzismus, Schamanismus, Radionik und Besprechen. Wieso werden all diese (und weitere) Verfahren unter den Sammelbegriff "Geistiges Heilen" gebracht? Miteinander verbindet sie beinahe nichts - bis auf eine einzige Gemeinsamkeit: Die bloße Intention, die konzentrierte Absicht zu heilen, reicht
offenbar häufig aus, Leiden entgegen ärztlichen Prognosen zu lindern oder gar zu beseitigen. Dabei werden keinerlei Hilfsmittel eingesetzt, die nach gegenwärtigem medizinischem Erkenntnisstand im beobachteten Ausmaß wirksam sein könnten. Was heilt, scheint insofern purer "Geist". Wie sollen auf diese mysteriöse Weise überhaupt Heilungsprozesse eingeleitet werden
können? Heiler sprechen davon, mit einer einzigartigen "Energie" oder "Kraft", einem "Licht", einem "Heilstrom" umzugehen. Doch damit "bestrahlen" sie nicht. Denn als Quelle dessen, was sie an Hilfesuchende weitergeben, sehen die wenigsten etwas, das in ihnen selbst liegt. "Höheren" Ursprungs soll es sein, und so versehen sie es mit Attributen wie "göttlich", “spirituell”, "kosmisch" und
"universell". Schon deshalb dürfen Begriffe wie "Energie" oder "Kraft" in diesem Kontext nicht wörtlich genommen werden, weil sie alle in der modernen Physik eine wohldefinierte Bedeutung haben, die auf das sonderbare Geschehen beim Geistigen Heilen nicht ohne weiteres übertragbar ist. Gemeint ist ein geheimnisvolles Etwas, von dem bisher nur dreierlei bekannt ist: - Zumindest manchmal,
zumindest teilweise gehorcht es menschlicher Intention. Irgendwie gelingt es Heilern, es aufzunehmen, kontrolliert weiterzugeben und damit Therapieziele zu erreichen. - Es überwindet anscheinend beliebige Entfernungen, ohne sich abzuschwächen. (Dies zeigen Fälle von erfolgreichen "Fernbehandlungen".) - Noch entzieht es sich physikalischer Messtechnik, zumindest auf dem gegenwärtigen Entwicklungsstand. Bisher lassen sich lediglich Epiphänomene einfangen: zum Beispiel
Einflüsse auf Hirnstromwellen während einer Geistheilung (Günter Haffelders EEG-Spektralanalyse), Veränderungen auf Kirlian-Fotos der Fingerkuppen von Behandelten (Prof. Konstantin Korotkovs “GTV-Technik”) oder in Kristallisationen von Wasser, auf das es eingewirkt hat (Masaru Emoto). Trotzdem braucht die Kraft, die heilt, nicht im Reich des "Immateriellen", des
"Nichtphysikalischen" angesiedelt zu werden. Was in dieser Welt Wirkungen entfaltet, kann nicht ganz außerhalb dieser Welt sein. Ist geistiges Heilen also die Kunst, mit dieser merkwürdigen Kraft therapeutisch umzugehen? Das Selbstverständnis vieler Heiler deutet darauf hin. Die meisten sehen sich als "Kanal" für eine “Energie”, die sie
aufnehmen und weitergeben. Entsprechend umschreiben sie, was sie in Patienten bewirken: Energieströme werden wieder zum freien Fliessen gebracht, Ungleichgewichte der Energieverteilung ausgeglichen, Auren geglättet, Energiezentren ("Chakras") gereinigt, geöffnet und geschlossen.
Gewiß, manches spricht für dieses Bild. Heilungen gelingen mitunter selbst dann, wenn der Behandelte nicht einmal ahnt, daß sie stattfinden - womit psychologische Erklärungen ausscheiden. In
Labortests beeinflussen Heiler auf rätselhafte Weise Tiere und Pflanzen, Pilze und Bakterien, isolierte Zellen und Zellbestandteile, sogar anorganisches Material wie Wasser oder Kristalle - Zielobjekte also, denen wir schwerlich zutrauen würden, auf Suggestivkünste und Placebos hereinzufallen. Insofern erscheint Geistheilung als eine Behandlungsform, die entscheidend mit "Energie" zu tun hat. (Siehe Geistheiler - Der Ratgeber, Kap. 13: “Bloß ein Placebo?”)
Aber Heiler sind nicht bloß wandelnde Transformatoren für eine geisterhafte Superpower. Weitere wesentliche Elemente kommen hinzu: nämlich psychotherapeutische.
(Siehe Geistheiler - Der Ratgeber, Kap. “Geistiges Heilen - Was ist das Eigentlich?”) Zwar können die wenigsten Heiler eine entsprechende akademische Ausbildung vorweisen. Was sie gleichwohl zustande bringen, lehrt indes, daß
die Intuition des untrainierten Laien nicht geringgeschätzt werden darf, schon gar nicht in sozialen Beziehungen zwischen Helfern und Hilfesuchenden.Zum einen spielen Visualisierungen, bildhafte Vorstellungen, bei allen Formen geistigen Heilens eine Schlüsselrolle. Ob in Heilerpraxen nun tatsächlich geheimnisvolle "Energien" übertragen werden oder nicht - in jedem Falle wird der Hilfesuchende dazu angehalten, sich ihren Transfer lebhaft auszumalen, und dies zumeist im Zustand tiefer
Entspannung und verbunden mit mehr oder minder subtilen Suggestionen, der Fluß dieser "Energien" sei spürbar. Was die Simonton-Methode, die diese Elemente ohne jegliches esoterische Drumherum kombiniert, bei Krebskranken selbst in fortgeschrittenen Stadien noch zustande bringt, belegt eindrucksvoll, wieviel damit therapeutisch zu erreichen ist, selbst bei scheinbar ausweglosem körperlichen Leid. Wie die Erfolge geistigen Heilens lehren, hilft unserem "inneren Heiler" im
Ernstfall offenbar eine bestimmte Art von mentalen Bildern ganz besonders: Denn das Eigentümliche an dieser Therapieform ist, daß alle Beteiligten sich dabei von der Vorstellung eines unwiderstehlichen Energieflusses leiten lassen. Und diese bloße Imagination aktiviert Selbstheilungskräfte womöglich besser, als es jede tatsächlich übertragene Energie je könnte.Zum zweiten verwenden Heiler im allgemeinen beträchtliche Mühe und Ehrgeiz darauf, einen Hilfesuchenden heil zu machen: eine aus dem Gleichgewicht geratene Einheit von Körper, Geist und Seele wiederherzustellen. Dies schließt ein, ihm Anstöße zu einer persönlichen Entwicklung zu geben, mit der wesentliche Vorbedingungen seines Krankseins verschwinden. Ein Großteil dieser Bedingungen wurzelt in einer unheilen Psyche: in einem unbewältigten Schicksal etwa, einem ungelösten Konflikt, einengenden Lebensumständen, mangelndem Selbstwertgefühl oder verlorenem Sinn. Den fähigsten Heilern gelingt es, mit ihren Klienten zu solchen Wurzeln der Erkrankung vorzustoßen. Das erfordert Weisheit, Geduld, Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung - lauter Eigenschaften, die Patienten im modernen Medizinbetrieb zunehmend vermissen.
Geistiges Heilen ist, mit anderen Worten, intuitive Ganzheitsmedizin - mit besonderen psychologischen und anscheinend auch physikalischen Mitteln.
| |