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Geistiges
Heilen

Verdienen “Anerkannte Heiler” Anerkennung?

Im Internet, auf Esoterikmessen, in einschlägigen Szenezeitschriften tummeln sich immer mehr sogenannte “Anerkannte Heiler”. Viele Hilfesuchende lassen sich davon beeindrucken, ohne zu hinterfragen: Anerkannt von wem? Und wie? Nach was für Maßstäben? Aufgrund welcher hervorstechender Merkmale und erwiesener Leistungen?
Dahinter stecken Freizeitfunktionäre eines Heilervereins, den es nie gegeben hätte, wenn ich ihn nicht 1994 ins Leben gerufen und vier Lebensjahre vergeblich darin investiert hätte, ihn zu einer Einrichtung zu entwickeln, die eben solche Auswüchse eher anprangert und ihnen gegensteuert, als sie noch zu steigern.
Ehe sich Hilfesuchende von dem vertrauenserweckenden Titel “Anerkannter Heiler” beeindrucken lassen, muss ihnen klar sein, dass nicht einmal jeder zehnte deutsche Heiler ihn erwerben kann – nicht mangels Befähigung, sondern aus formalen Gründen. Denn deutlich über 90 Prozent aller praktizierenden Heiler gehören weder dem betreffenden Verband noch irgendeinem seiner Mitgliedsvereine an; die “Anerkennung” jedoch bleibt ausschließlich zahlenden Mitgliedern vorbehalten. Folglich kann sie keiner vorweisen, der sich z.B. lieber den beiden ältesten deutschen Heilerverbänden, der “Deutschen Vereinigung für Geistheilung” oder der “Gemeinschaft für geistige Entfaltung” angeschlossen hat – beide ziehen es vor, zum betreffenden Verein Abstand zu halten – oder lieber außerhalb jeglicher Vereinsmeierei Gutes tun will.
Wer als Bäcker standesgemäße “Anerkennung” finden will, muss zeigen, dass er backen kann. Doch ist ein “Anerkannter Heiler” einer, der unter Beweis gestellt hat, dass er heilen kann? Wer sich die Mühe macht, die Anerkennungsprozedur unter die Lupe zu nehmen, stößt auf ein Paragraphengestrüpp von der Spiritualität einer Büroklammer, das sich vier angebotenen “Wegen zur “Anerkennung” entlangrankt. (Die Formulare und Regularien, aus denen im Folgenden zitiert wird, sind auf den Internetseiten des Vereins nachzulesen.) Einem mutmaßlichen “Heiler”, der sich vereinsmäßig “zertifizieren” lassen möchte, bleibt demnach die Wahl, welchen Weg er beschreiten mag, “Ihren persönlichen Gegebenheiten entsprechend”.

Entweder man reicht eine Bescheinigung ein, dass man bei einem vom Verein “anerkannten Ausbilder” oder bei einem seiner Mitgliedsverbände Heilen gelernt und eine “Prüfung” bestanden hat (“Weg A”).

Oder man legt “drei unterzeichnete Bestätigungen von erfolgreich behandelten Menschen” vor, “die nicht Mitglieder meiner Familie sind”. Zusätzlich sind beizufügen: schriftliche Empfehlungen von zwei “Anerkannten HeilerInnen”, die dem betreffenden Verein schon mindestens drei Jahre angehören (“Weg B”); ein einziges derartiges Votum genügt, falls “ein Vorstandsmitglied eines Mitgliedsverbands” den Heiler anerkennungswürdig findet (“Weg C”); oder man legt bei der “Abteilung Qualifikation & Anerkennung” des Vereins eine “Prüfung” ab (“Weg D”).

Während sprichwörtlich viele Wege nach Rom führen; gerät man auf den vier Wegen zum “Anerkannten Heiler” in eine in esoterischen Nebel getauchte Pampa.

Hat jemand unter Beweis gestellt, dass er heilen kann, wenn er eine Ausbildung absolviert und eine Prüfung bestanden hat? Das hängt davon ab, ob Heilerausbildungen, wie sie gegenwärtig in der Szene angeboten werden, aus Anfängern zuverlässig Heiler machen (Siehe dazu Geistheiler - Der Ratgeber, Kap. 34: “Wem die Götter Flügel schenken - Inwieweit ist Geistiges Heilen erlernbar?”) – und jene Art von “Prüfungen”, die dort stattfinden, zuverlässig anzeigen, dass das Ausbildungsziel erreicht worden ist. An beidem sind Zweifel angebracht (siehe “Sind Vereinsmitglieder die besseren Heiler?” und “Lieber zum ‘geprüften’ Heiler?”.) Erfahrungsgemäß werden Interessenten, die sich zum Heilen berufen fühlen, mangels Eignung nicht deutlich häufiger von Ausbildern abgelehnt als Freier im Puff – Hauptsache, sie zahlen. Im Preis inbegriffen ist die Gewissheit: Wer erst mal drin ist, kommt kaum je unzertifiziert wieder raus. In “Abschlussprüfungen”, die durchweg vor Willkür und Selbstherrlichkeit strotzen, wird beinahe jeder zum urkundlich beglaubigten “Heiler” befördert; den Ausschlag dafür gibt zumeist die “hellsichtige” Wahrnehmung des Lehrers, ob und wie sein Schüler “Energieflüsse kanalisiert”.

Verdienen zumindest diejenigen Ausbildungs- und Prüfungsangebote Vertrauen, die der betreffende Verein ausdrücklich “anerkannt” hat? Dazu müsste zuallererst klar sein, ob und inwieweit ein Lehrer überhaupt imstande ist, Heilfähigkeiten zu wecken und zu erkennen. (Wer prüft den Prüfer?) Die Anerkennungskriterien für Ausbildungen betreffen aber bloß Formalitäten: Der Ausbilder muss geeignete Räumlichkeiten nachweisen, Ausbildungsmaterial zur Verfügung stellen, “während der gesamten Ausbildungszeit” und “weitere 12 Monate” danach “als Ansprechpartner zur Verfügung stehen”, ein Führungszeugnis vorlegen und ein paar Jahre eigene Berufserfahrung nachweisen. Was die Ausbildung inhaltlich zu vermitteln hat, sind nicht etwa therapeutische Fähigkeiten, sondern gewisse “Kenntnisse und Erfahrungen” sechserlei Art:

-  über die Paragraphen des Verhaltenskodex des Vereins.
-  über den “Umgang mit Hilfesuchenden”;
-  über die Definition Geistigen Heilens und die angewandte Methode;
- über “anatomische und medizinische Grundlagen”;
-  über juristische Aspekte der Heilertätigkeit;
-  Außerdem muss die gelehrte Methode “geübt” werden.

Von der “Prüfung” wird verlangt, dass sie “den Prüfungsrichtlinien” des Vereins genügt – aber auch diese schließen keinerlei signifikante Tests auf Heilfähigkeiten ein; stattdessen findet ein “Prüfungsgespräch” statt, in dem obengenannte “Kenntnisse und Erfahrungen” abgefragt werden. Ebensogut könnte man versuchen, sich jemandes Zeugungsfähigkeit zu vergewissern, indem man ihn eruiert, wieviel er über die Biologie der Fortpflanzung weiß.

Was gewisse Vereinsfunktionäre befähigt, als “Prüfer” aufzutreten, bleibt im Dunkeln. Peter H. etwa besuchte zwei Seminare beim Oberprüfer und Leiter der Qualifikationsabteilung höchstselbst, einem gewissen B.: “Abgesehen davon, dass ich die spiritistische Version des Heilens, die B. vertritt, für gefährlich halte, wenn man die gerufenen Seelen nicht kontrollieren, d.h. sehen kann”, schrieb Peter H. (Brief vom 2. Juni 2004), “glaube ich nicht, dass Kettenraucher positive Energien anziehen. (...) Seine Seminare sind qualitativ schlecht, Menschenführung ist nicht seine Stärke. So war er der Meinung, dass Ehepaare sich wegen der ‚Energievermischung‘ auseinander setzen sollten. Ich könnte mich heute noch in en Hintern beißen dafür, dass ich es tat. (...) Schade um jeden Pfennig, den ich dort investierte. B. ist natürlich Prüfer in diesem Verein und entscheidet dann über eine Anerkennung. Darauf kann ich verzichten.”

Hat “Anerkennung” verdient, wer “drei unterzeichnete Bestätigungen” von “erfolgreich behandelten Menschen” außerhalb der eigenen Familie beibringen kann? Wie eine solche “Bestätigung” auszusehen hat, gibt der Verein durch ein “Muster” vor: “Hiermit bestätige ich: “Am ... bzw. in der Zeit vom ... bis ... nahm ich die Tätigkeit von Herrn/Frau .... in Anspruch. Danach stellte ich fest, dass meine Erkrankung/Beschwerden ... sich gebessert hatten.” Anerkennenswert sind demnach schon Erklärungen wie: “Ich hatte öfters Kopfweh. X legte mir die Hände auf. Danach tat der Kopf nicht mehr so oft weh”; oder: “Seit mir Y Reiki gibt, haben meine Schlafstörungen nachgelassen.” Ohne Belang bleibt dabei, ob es zur Besserung wegen oder bloß während der Behandlung kam; inwieweit auf den subjektiven Eindruck der Patienten überhaupt Verlass ist; ob die Bestätigung aus Gefälligkeit oder durch Druck zustandekam; ob es sich beim Aussteller um einen Freund, Bekannten oder Kollegen handelt. In einer esoterisch durchgeistigten Szene, in der jeder jeden universell liebt und kein Fremder unvertraut genug ist, um ihn nicht gleich mit einem plumpen “Du” zu überrumpeln, ist das Einsammeln solcher “Bestätigungen” ein Kinderspiel.

Wie aussagekräftig sind “Empfehlungen” durch andere Heiler? Eine solche Empfehlung besteht, gemäß Muster des Vereins, aus der schlichten Erklärung: “Aus meiner persönlichen Überzeugung befürworte ich seine/ihre Anerkennung als Heiler des Vereins XY. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er/sie die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen hat über die Bereiche ..”. (Es folgt eine Aufzählung der vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte, wie oben erwähnt.) Wie der Empfehlende zu diesem Eindruck kommt, interessiert ebensowenig wie sein persönliches Verhältnis zum Antragsteller. So berichtete mir ein erfahrener Heiler aus der Nähe von Fulda, Kurt W. (tel vom 22. Oktober 2005): “Vor kurzem bekam ich Post von einem jungen Mann, den ich überhaupt nicht kenne. Wie er mir schrieb, benötigt er ein Empfehlungsschreiben für den Verein XY, damit er eine ‚Anerkennung‘ kriegt. Ob ich ihm nicht freundlicherweise, sozusagen von Kollege zu Kollege, so eines ausfertigen könne? Unfassbar. Ich habe ihm erst gar nicht geantwortet.” Was sind das für “Heiler”, deren Empfehlung das Lizenzierungsverfahren so viel Gewicht beimisst? Unter dem Eindruck einer großspurig als “Kongress” betitelten Zusammenkunft klagte ein Gründungsmitglied eben jenes Vereins, zeitweiliger Zweiter Vorsitzender und groteskerweise nach wie vor Präsidiumsmitglied (Brief vom 29. September 2002): “Es ist kaum zu glauben, welch seltsame Blüten die Geistheilung treibt, wie unbedarft Patienten, aber auch Heiler sind, welch seltsame Heilergestalten da auftreten unter dem Etikett ‚Anerkannter Heiler‘. Bei einigen hatte ich den Eindruck, sie seien geradewegs aus der Psychiatrie ausgebrochen.”

Und was qualifiziert jemanden kraft Vorstandssitz dazu, über die heilerischen Qualitäten eines Antragsstellers zu befinden? Wer je einen Verein von innen erlebt hat, der weiß, dass über die Besetzung repräsentativer Posten in erster Linie Zufallsbekanntschaften, Sympathien und Loyalitäten, Kumpaneien und Familienbande, Mauscheleien und Seilschaften entscheiden.

Die Hürden auf dem Weg zum “Anerkannten Heiler” liegen nach alledem extrem niedrig: Wer sie nehmen will, braucht lediglich ein wenig Geduld und Geld, Gerissenheit und Beziehungen. Weshalb werden nicht strengere Maßstäbe angelegt? Weil sie abschreckend wirken würden. Gesetzt der Fall, in ein paar Jahrzehnten hätten Biophysiker ein wissenschaftliches Testverfahren entwickelt, das zuverlässig misst, ob ein Heiler über seine angeblichen “Kräfte” tatsächlich verfügt; angenommen ferner, in diesem Testverfahren würden neun von zehn sogenannten “Heilern” durchfallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Heilerverbände ein solches Verfahren in ihre Prüfungen einbeziehen, geht gegen Null: Denn damit würden sie einen Großteil ihrer zahlenden Mitglieder frustrieren – und künftige abschrecken. Daran liegt es, dass Prüfungsanforderungen von Heilervereinen nach dem Prinzip von TV-Gewinnspielen gestrickt sind. (“Wer wurde 1954 Fußball-Weltmeister? Deutschland, die Fidschi-Inseln oder Trinidad & Tobago? Rufen Sie gleich an und gewinnen Sie den Jachpot!”) Je anspruchsloser, desto mehr können mitmachen.

Wer einmal “anerkannt” ist, bleibt es sein Leben lang, sofern er nicht austritt. Ob er die “Anerkennung” fünf, zehn Jahre später überhaupt noch verdient hat, wird keinerlei Überprüfung unterzogen – selbst wenn sich inzwischen seine Honorare verdreifacht, die Behandlungszeiten halbiert, seine Erfolgsquote gezehntelt, sein Ego aufgebläht, seine Geduld, Demut und Empathie minimiert haben. Von Vereinsseite forscht niemand nach, ob er die Methode, die er im Prüfungsgespräch erläutert hat, seither zum überwiegenden Nutzen seiner Klienten anwendet. Niemand will feststellen, inwieweit der Ehrenkodex, dessen Paragraphen er den Prüfungskommissaren aufgesagt hat, seither seine Praxis bestimmt. Patienten, die darauf vertrauen, können böse Überraschungen erleben – wie die beiden jungen Frauen, die sich einem gewissen “L.” anvertraut haben, Vorstandsmitglied eben jenes Vereins, insofern in Vorbildfunktion, auch er natürlich ein “Anerkannter Heiler”. “Bei der ‚Reiki-Behandlung‘”, so berichtet Andrea B. (Mitteilungen vom 1., 6. und 8. Januar 2005), “legte L. die Hand flach auf die Mitte meiner Brust. Dabei ließ er den Satz fallen, er wolle mich schon seit längerer Zeit gerne einmal flachlegen (...) Er behandelte auch eine Freundin von mir, mit der er vor meinen Augen bis zur äußersten Grenze flirtete. (...)” Über eine andere Heilerin, welche die Frau zuvor aufgesucht hatte, bezeichnete L. abfällig als “Mickymaus”. “Kann man da”, fragt Frau B. nachvollziehbar, “dem Verein überhaupt noch vertrauen, wenn solche Heiler sogar noch empfohlen werden?”

Wer in den Richtlinien des Verbands blättert, der stutzt zunächst über eine Klausel, die jedem heilenden Mitglied, das bis zum 1. Januar 1998 beigetreten ist und seither pünktlich seine Beiträge zahlt, den hochtrabenden Titel zufallen lässt. Jedem später Beigetretenen fällt die "Anerkennung" zu, wenn er "eine Ausbildung oder Prüfung durchlaufen hat, die den Richtlinien (des Verbands) entspricht". (Was formelle "Ausbildungen" und "Heilerprüfungen" und formelle "Ausbildungen" wert sind, erläuterte ich in Geistheiler - Der Ratgeber.) Wer keinen entsprechenden Nachweis beibringe, der erhalte eine "Anerkennung", wenn er von zwei Verbandsmitgliedern "aus persönlicher Überzeugung" schriftlich empfohlen wird oder ein "Prüfungsgespräch" absolviert - und "drei unterschriebene Bestätigungen von erfolgreich behandelten Menschen ... vorlegt". (Zum Wert von "Empfehlungen", "Heilungsbestätigungen" und "Prüfungsgesprächen" siehe das Kap. 31 von Geistheiler - Der Ratgeber.) Doch was ist mit jenen, die bereits vor dem 1. Januar 1998 zu ihm oder einem der ihm angeschlossenen Mitgliedsverbände gefunden haben? Sie "gelten ohne Einhaltung dieses Beschlusses als anerkannt", wie eine "Übergangsregelung" festlegt. (Tatsächlich existiert der betreffende Verband aber schon seit Anfang 1995, seine Mitgliedsverbände teilweise schon seit den sechziger und siebziger Jahren.) Das bedeutet: Der hochtrabende Titel fällt den solcherart Gebauchpinselten automatisch und ohne jegliche Vorbedingung zu - vermutlich aus berechtigter Sorge, andernfalls könnten zuviele Beitragszahler das Weite suchen.
Die absurde Konsequenz daraus ist, dass in diesem Verein bis weit in dieses Jahrhundert hinein eben jene Heiler in der Mehrheit sein werden, die sich um ohnehin windige Anerkennungsprozeduren jedweder Art nicht zu scheren brauchen. So gerät die "Anerkennung" zur Lachnummer, das vermeintliche Gütesiegel klebt auf einer Mogelpackung. Der Gnade der späten Geburt folgt hier die Gnade des frühen Beitritts auf dem Fuße. So ähnlich könnte ein Swinger-Club verfahren, der ein mißtrauisches Gesundheitsamt mit der treuherzigen Versiche-rung beruhigen will, sein Etablissement betrete garantiert niemand mit einer Geschlechtskrankheit - aber im Kleingedruckten versteckt, dass Aidstests erst für diejenigen obligatorisch sind, die ab dem dritten Jahr seit Eröffnung mitbumsen. "So ein Etikettenschwindel ist einfach nur lächerlich - und für das Ansehen des geistigen Heilens letztlich verheerend", schrieb mir ein Vereinsmitglied über die Gründe seines Austritts. "Das wäre ungefähr so, als brächte mein Supermarkt am Eingang ein Schild mit dem Hinweis an: ‚Für all unser Obst und Gemüse geben wir Ihnen eine Frischegarantie. Das gilt allerdings nicht für Ware, die nach dem 1. Januar bei uns angeliefert wurde." Gottlob verfault altes Grünzeug - bei Geistheilern indes fallen Geruchs- und Geschmackstests schwerer.
 

Was Hilfesuchende erleben können, die sich auf Verbandsvermittlung hin an “Anerkannte” Heiler wenden, schildert R. W. (Brief vom 24. April 2002): Eine entsprechend zertifizierte Heilerin weigerte sich, ihr einen zweiten Termin zu geben, “weil ich trotz ihres Anratens meine Mineralien – Steine und Kristalle – nicht aus der Wohnung entfernt habe. Sie hatte diese Vorgabe gemacht, weil Steine von ‚Wesen‘ besetzt sein können.” (Weitere Beispiele s. “Lieber zum ‚geprüften‘ Heiler?”)

Wenn der Etikettenschwindel mit “Anerkennungen” so offenkundig auf der Hand liegt – weshalb findet er dennoch statt? Weil alle Beteiligten davon profitieren. Heilern verschafft er einen wohlklingenden, vertrauenserweckenden Titel, mit dem sie sich im zunehmend dichteren Gedränge der alternativen Gesundheitskultur einen lukrativen Wettbewerbsvorteil verschaffen. “Klar ist diese ‚Anerkennung‘ im Grunde nichtssagend”, erklärte mir der Heiler W.L. “Aber die meisten Patienten legen auf so was Wert - leider. Deshalb habe ich sie mir besorgt und betone sie bei jeder Gelegenheit. Wäre es nicht dumm, darauf zu verzichten?” Und auch die Titelschleuder profitiert davon: Die Aussicht, sich ihrer bedienen zu können, veranlasst viele Heiler, sich zum Beitritt zu entschließen – insbesondere solche, die unter mangelnder Nachfrage leiden. Mit jedem neuen Beitritt wächst das Gewicht eines Vereins, dessen Bedeutung gemeinhin an seiner Mitgliederzahl abgelesen wird. Und Beitritte füllen die Vereinskasse: Jeder Heiler zahlt jährlich 72 Euro Beitrag – zuzüglich 5 Euro Bearbeitungsgebühr, wenn er einen “Antrag für Zertifikat ‚Anerkannter Heiler‘” einreicht; zuzüglich 75 Euro Gebühr, wenn er sich zur Prüfung anmeldet; zuzüglich 250 Euro für eine dreijährige “Anerkennung” als Ausbilder. (Im vierten, siebten, zehnten Jahr usw. “ist der Betrag erneut zu entrichten”.) So wäscht eine Hand die andere – auf Kosten von Hilfesuchenden. Dieser Verein, so begründete Klaus J. seinen Austritt (Mitteilung vom 7. Juni 2002), “zertifiziert recht unkontrolliert Heiler und auch Ausbilder, die zum Teil skrupellose Geschäftemacher und Egomanen sind. Als Mitglied deckte ich das. Aus dem Gebaren der Leitung ergab sich nicht der Eindruck, dass Kritik erwünscht ist.”

Freilich spielen nicht alle Heiler mit – wie Klaus J. treten sie aus, befremdet und empört. “Die Selbstbeweihräucherung liegt mir fern”, erläutert Aryan K. die Gründe seines Austritts. “Daher verzichte ich auf diesen Zehn-Euro-Titel der Vereinsführung und unterlasse das Sponsoring für deren Ego-Reflektionen im Familienbetrieb, was mir nichts außer Klolektüre einbrachte. Leider driftet das Niveau dort auf Tubber-Party-Level ab.” (eMail vom 22. Juli 2004.)

Alle Heiler, die von der Internationalen Vermittlungsstelle für herausragende Heiler (IVH) empfohlen werden, haben Richtlinien anerkannt, welche die Selbstverpflichtung einschließen: “Ich werbe nicht mit irreführenden Titeln.” Das Schindluder, das in der Heilerszene zunehmend mit “Anerkennungen” und anderen Zertifikaten getrieben wird, führt vor Augen, wie dringend diese IVH not tut.

 

 

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