Dr. med. Michael Dixon leitet in Cullompton, Grafschaft Mid Devon, eine große Praxisgemeinschaft, in der er mit sieben Kollegen ein Gebiet von 1600 Quadratkilometern mit rund 13’500 Patienten medizinisch betreut. Daneben hat Dr. Dixon den Vorsitz in der Primary Care Group Alliance des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) Großbritanniens inne und ist Honorary Research Fellow an der Universität Exeter, mit Komplementärmedizin als einem Forschungsschwerpunkt. Er schrieb The
Local Commissioning Handbook. Seit 1992 lässt Dixon in seinem Zentrum stundenweise eine Geistheilerin mitarbeiten - insbesondere bei chronisch Kranken, denen anscheinend weder mit schulmedizinischen noch mit unkonventionellen Maßnahmen mehr zu helfen ist. Vielbeachtete Berichte darüber veröffentlichte Dr. Dixon in den angesehenen ärztlichen Fachzeitschriften British Journal of General Practice (45/1995 und 49/1999) und Journal of the Royal Society of Medicine (91/1988). Sein Buch The
Human Effect in Medicine. Return of the Physician Healer - Theory, Research and Practice (gemeinsam mit K. Sweeney) erschien im Februar 2000. Er ist Koautor von Geistiges Heilen für eine neue Zeit. In meiner Anthologie Geistiges Heilen in der ärztlichen Praxis schildert Dr. Dixon, welche Erfahrungen er und seine Kollegen mit der Geistheilerin Gill White machten:
““Ein ums andere Mal stolpern Menschen über die Wahrheit", bemerkte Winston Churchill einmal, "aber die meisten rappeln sich wieder hoch und hasten weiter, wie wenn nichts
geschehen wäre." Der Wahrheit, die ich aus unserer Praxis in Mid Devon zu berichten habe, ergeht es hoffentlich nicht ebenso. In den vergangenen Jahren haben hier Heiler und Schulmediziner zusammengearbeitet. Für Ärzte, Hilfspersonal und Patienten war dies gleichermaßen eine wertvolle Erfahrung.
Unsere Praxis führen gemeinsam acht Ärzte, die ein Gebiet von rund 1600 Quadratkilometern versorgen; sie wird von einer Zentrale in Cullompton aus betrieben. Seit Mai 1992 kommt die
Heilerin Gill White an jedem Donnerstagmorgen dorthin; hier betreut sie jedesmal durchschnittlich fünf Patienten, jeweils eine Dreiviertelstunde lang. Jeder erhält von ihr im Durchschnitt acht bis zehn Behandlungen. Vor Beginn unserer Zusammenarbeit haben wir mit Gill White vereinbart, dass sie sich ausschließlich um Patienten mit chronischen Krankheiten kümmern soll, die schon seit mindestens sechs Monaten andauern und auf keinerlei medizinische Maßnahmen, ob nun orthodoxer oder
"alternativer" Art, ansprechen.
Im Juni 1993 zogen wir eine erste Zwischenbilanz über die bis dahin erzielten Erfolge. Dabei berücksichtigten wir die ersten 25 Patienten, die von Gill betreut worden waren. Die häufigsten Symptome in dieser Gruppe waren Rückenschmerzen (fünf Fälle), Arthritis (drei), Depression (drei), Stress-Syndrom (drei), Unterleibsschmerzen (zwei), chronisches Erschöpfungssyndrom/CFS (zwei) sowie Einzelfälle von Kopfschmerzen, Kolitis
(Schleimhautentzündung des Dickdarms), eine anhaltende Infektion im Urogenitalbereich, Psoriasis (Schuppenflechte) und idiopathische Dystonie, eine muskuläre Fehlfunktion.
Jeder Patient wurde gebeten, vor und nach jeder Heilsitzung seine hauptsächlichen Symptome auf einer neunstufigen Skala zu bewerten, die von "schlimmer geht es nicht mehr" bis zu "keinerlei Beschwerden mehr" reichte. Außerdem sollte er jede wahrgenommene Veränderung einschätzen. Demnach stellten
72 Prozent der Befragten an sich eine Besserung fest; 32 Prozent gaben sogar eine "wesentliche" Besserung ihres Symptoms an. 16 Prozent fühlten sich "etwas" wohler, 20 Prozent "erheblich" wohler und 32 Prozent "sehr viel" wohler. Dabei stimmten die Selbstbeobachtungen der Patienten weitgehend überein mit unseren ärztlichen Begutachtungen. Sämtliche acht Patienten mit Stress, Gelenk- und Unterleibsschmerzen berichteten eine gewisse Besserung, während die
Fortschritte bei Patienten mit Rückenschmerzen, Depression und Myalgischer Enzephalomyelitis (ME) weniger eindrucksvoll ausfielen. Eine zweite Zwischenbilanz zogen wir nach drei Jahren, Mitte 1995, nunmehr mit 50 Patienten, derer sich Gill White angenommen hatte; durchschnittlich viereinhalb Jahre hatte ihnen ihr jeweiliges Leiden bereits zu schaffen gemacht. 68 Prozent berichteten von einer Besserung ihres Hauptsymptoms, 58 Prozent sprachen dabei von einer "erheblichen"
Besserung oder fühlten sich sogar vollständig genesen. Dabei fielen die erreichten Fortschritte im allgemeinen um so gravierender aus, je kürzer die vorherige Leidenszeit war. Manche Krankheitsbilder sprachen auf Geistiges Heilen anscheinend besser an als andere. So erlebten alle fünf Patienten mit Schuppenflechte und Ekzemen eine deutliche Besserung, vier von ihnen konnten sämtliche Medikamente absetzen; sechs von neun Patienten mit chronischer Depression fühlten sich besser, aber bloß einer
"sehr viel"; und nur einer von drei Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom empfand deutliche Erleichterung.
Da sich unsere Fragebögen auf das Hauptsymptom konzentrierten, verfehlten sie zwangsläufig mancherlei weitere Vorzüge Geistigen Heilens. Klarerweise geht es bei dieser Heilweise um eine Veränderung in einem umfassenderen, holistischen Sinne, und gegenwärtige gesund-heitliche Beschwerden können bloß oberflächliche Anzeichen von tieferliegenden Problemen
sein. Viele unserer Patienten berichteten spontan Besserungen in Bereichen, die gar nicht Gegenstand unserer Untersuchung waren. Mit einer einzigen Ausnahme empfanden alle (96 Pro-zent) das Geistige Heilen als eine positive, angenehme und hilfreiche Erfahrung. Ein Patient gab an, das Heilen habe seine ganze Weltsicht verändert. Ein weiterer gab zu Protokoll, es habe ihm "gut getan, dass jemand mir Aufmerksamkeit schenkte und mir zuhörte".
Um unserer Studie eine gewisse
Objektivität zu verleihen, achteten wir auf Veränderungen in der Häufigkeit der Arztbesuche vor und nach Geistigem Heilen. Bis Ende 1992, also zur Halbzeit unserer Untersuchung, durften zehn der 25 Patienten aus ärztlicher Sicht als vollständig geheilt gelten. Nun verglichen wir die Anzahl ihrer Termine bei uns im Jahr vor Beginn der Geistheilung mit der Anzahl in den ersten sechs Monaten nach Heilungsbeginn - und stellten fest, dass die Konsultationsrate im Durchschnitt von 12 auf 8 pro Jahr
gefallen war.
Dieser Befund bestätigte sich bei unserer zweiten Zwischenbilanz nach drei Jahren: Bis dahin hatten 25 der 50 Patienten, also exakt die Hälfte, ihre Geistheilung bereits abgeschlossen. Zuvor hatten im statistischen Mittel 12,04 Arztbesuche pro Jahr stattgefunden; während der Geistheilung sank diese Zahl auf 7,16 - und lag danach bei 8,04. Uns fiel außerdem auf, dass die ärztlichen Konsultationen seither in einer viel positiveren, weniger bedrückenden Atmosphäre
verliefen.
Ebenso interessierten uns mögliche Veränderungen bei den Verschreibungen. Acht der 25 Patienten benötigten weniger oder gar keine Medikamente mehr, seit sie geistig behandelt wurden; bei der zweiten Zwischenbilanz waren es achtzehn von fünfzig, also 36 Prozent. Nur bei zwei Patienten stieg der Arzneimittelkonsum weiter an. Die jährlichen Einsparungen an Medikamenten summierten sich zu über 1500 britischen Pfund (umgerechnet über 2000 Euro), was die anfallenden Arztkosten
mehr als aufwog. Die zusätzliche Kostenersparnis aufgrund seltenerer Konsultationen haben wir nicht errechnet, sie dürfte aber ebenfalls beträchtlich sein. Solche Befunde deuten nicht nur darauf hin, dass Geistiges Heilen ein nützliches Mittel zur Linderung von Symptomen, zur Arbeitsentlastung sowie zur Kostensenkung in der ärztlichen Praxis ist. Nach unserem Eindruck versetzt es Patienten zudem in die Lage, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen - und nicht den Arzt, sondern sich selbst
als Vehikel einer gesundheitlichen Besserung zu betrachten. All dies sind erste vorläufige Ergebnisse. Natürlich benötigen wir objektivere Maßstäbe für eine gesundheitliche Besserung, um wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, so wichtig es auch sein mag, dass es den Patienten subjektiv besser geht. Dazu könnten wir beispielsweise die Auswirkung Geistigen Heilens auf den Blutdruck untersuchen. Darüber hinaus sollten wir das medizinische Forschungsmodell auf die ganze Bandbreite
potentieller Heilungen abstimmen, um die vielerlei Hinsichten zu erfassen, in denen Besserungen eintreten können.
Zwischen September 1994 und September 1996 führten wir eine kontrollierte prospektive Studie durch.2 Dabei gingen wir von den ersten 72 chronisch Kranken aus, die ab Studienbeginn von einem Arzt unseres Zentrums an die Heilerin weiterverwiesen worden ware. In die Studie einbezogen wurden sie, sofern ihr Leiden schon seit mindestens sechs Monaten bestand und bislang auf
keinerlei Therapie, ob nun konventionell oder alternativ, angesprochen hatte; außerdem mussten sie älter als 18 Jahre sein und mit einem Geistheiler überhaupt zu tun haben wollen. Nach diesen Kriterien blieben 57 Patienten übrig, die wir in die Studie einbezogen.
Diese 57 wurden von einer Assistentin nun einer von zwei Gruppen zugewiesen: Patienten der “Studiengruppe” wurden zehn Wochen lang an jedem Donnerstagvormittag vierzig Minuten lang mit Geistigem Heilen behandelt;
für die Patienten der “Kontrollgruppe” hingegen wurde das Geistheilen bis zum Abschluss der Studie verschoben. (Die Zuteilung erfolgte sequentiell: Die ersten fünf kamen in die “Studiengruppe”, die nächsten fünf in die “Kontrollgruppe”, der elfte bis fünfzehnte Patient wiederum in die “Studiengruppe” usw.) Die “geistige” Behandlung der “Studiengruppe” berstand hauptsächlich darin, dass die Heilerin ihre Hände nahe an den
Patienten heranführte und sie dann langsam den ganzen Körper entlangbewegte, während sie sich vorstellte, wie weißes Licht durch sie hindurch in den Patienten floss. Während jeder Sitzung lief entspannende Musik. Die Patienten der “Kontrollgruppe” wurden von uns weiterhin herkömmlich behandelt.
Zu Beginn der Studie, nach drei sowie nochmals nach sechs Monaten fand eine Bewertung statt. In einem Interview mit der Assistentin schätzten die Patienten das Ausmaß ihrer Symptome
auf einer Skala von 0 (“keinerlei Symptome”) bis 10 (“unerträgliche Symptome”) ein. Auch konnten die Patienten berichten, ob und inwieweit sie subjektiv eine Veränderung ihrer Beschwerden wahrgenommen hatten, verglichen mit ihrem Zustand vor Testbeginn. Darüber hinaus gewichteten sie ihre Angst und Depression auf der Hospital Anxiety and Depression (HAD) Scale sowie ihre allgemeine psychische und physische Verfassung mit Hilfe des Nottingham Health Profile. Außerdem
wurden der Anteil natürlicher Killerzellen (CD16 und CD56) sowie die Zahl weißer Blutkörperchen und Lymphozyten bestimmt. Ferner interessierten uns die Häufigkeit von Arztbesuchen im ersten halben Jahr nach Abschluss der Studie, verglichen mit dem Jahr vor Studienbeginn, sowie Veränderungen bei der Einnahme von Medikamenten.
Im Studienzeitraum kam es zu sechs Ausfällen, so dass 51 Patienten übrig blieben: 27 in der “Studiengruppe”, 24 in der
“Kontrollgruppe”.
Drei Monate, nachdem die Heilsitzungen begonnen hatten, erklärten fünf der 27 geistig behandelten Patienten, ihre Beschwerden bestünden unvermindert fort; acht fühlten sich “etwas besser” und sechs “sehr viel besser”; ein Patient erklärte, nunmehr völlig symptomfrei zu sein. Damit hatte die “Studiengruppe” einen signifikanten Vorsprung gegenüber der “Kontrollgruppe”, wie sich bei der statistischen Auswertung
der Daten zeigte. Gleiches gilt für die untersuchten Bereiche “Angst” und “Depression” sowie das Allgemeinbefinden. Hingegen waren zwischen den beiden Gruppen keine auffälligen Unterschiede beim Immunstatus feststellbar. Bei der Anzahl der Arztbesuche sowie der Medikation blieben die Unterschiede unbedeutend, entgegen unseren früheren Beobachtungen.
Wegen ihrer methodologischen Beschränkungen ist unsere Studie eher geeignet, Hypothesen zu generieren als zu
testen. Diese Beschränkungen betreffen die sequentielle anstelle einer randomisierten Gruppenzuordnung, die fehlende “Verblindung” der Patienten, der Einsatz von Wartenden zur Kontrolle sowie die geringe Größe der Stichprobe. Auch unterscheidet unsere Studie nicht zwischen den “spezifischen” Wirkungen der Geistheilerin und jenen Effekten, die durch andere Faktoren wie etwa die Entspannung oder das besondere Verhältnis zwischen Therapeut und Patient erzeugt worden sein
könnten. Um aussagekräftiger zu werden, müssten Patienten im Ungewissen darüber gehalten werden, ob sie geistig behandelt werden oder nicht, zum Beispiel durch Einsatz eines “Strohmanns” oder einer Abschirmung; in einer Arztpraxis ist eine solche Vorgehensweise allerdings kaum praktikabel, zumal sie weitere Fragen aufwerfen würde. (Könnte nicht auch der “Strohmann” über Heilkräfte verfügen?) Alternativ könnte Geistiges Heilen mit einer Standardtherapie bei einem
bestimmten Leiden (z.B. bei Arthritis, Psoriasis/Ekzemen) verglichen werden, bei denen Veränderungen objektiv messbar sind. Eine solche Studie könnte, ähnlich wie unsere, Messungen der Lebensqualität und des Allgemeinbefindens einschließen und die Langzeitwirkungen der überprüften Therapieformen miteinander vergleichen.
All diese Einschränkungen ändern aber nichts am Hauptbefund unserer Untersuchung: Geistiges Heilen führt bei chronisch Kranken zu einer Verbesserung der Symptomatik,
des Gemütszustands und des Allgemeinbefindens.
Unsere Forschungen haben manchen meiner Kollegen überhaupt erst die Augen geöffnet. Gills Ansehen ist mittlerweile derart gewachsen, dass fast alle meiner Kollegen ihr jetzt Patienten überweisen, während anfangs nur zwei dazu bereit waren. Unser gesamtes Hilfspersonal war glücklich und sogar stolz darauf, dass ihm eine Heilerin angehörte, und betrachteten es als eine Herausforderung, sie in den herkömmlichen Rahmen medizinischer
Behandlung einzubeziehen.
Was die Patienten betrifft, so sprechen unsere Forschungsergebnisse für sich selbst. Machen wir uns nochmals klar, dass es sich hier ausnahmslos um chronisch Langzeitkranke handelte, denen weder mit schulmedizinischen noch mit komplementären Heilverfahren mehr zu helfen gewesen war; unter diesen Umständen ist Gills 70prozentige Erfolgsrate besonders bemerkenswert. Als Ärzte sollten wir die Evidenz für diesen Erfolg nicht abtun, bloß weil wir sie mit unseren
herkömmlichen Theorien nicht erklären können. Eine verhältnismäßig billige Behandlungsweise, die frei von schädlichen Nebenwirkungen ist und den meisten Patienten zugute kommt: Ist es nicht genau das, wonach wir als Ärzte stets suchen sollten? Geistiges Heilen in die ärztliche Praxis einzubeziehen, scheint mir ein logischer Schritt, wenn die Schulmedizin nichts mehr anzubieten hat.”
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