Geistheilung? Wie wahrscheinlich sind medizinische
“Wunder”?
In diesem Kapitel: Geistheilung: Einzelfälle verführen zu Fehlschlüssen Geistheilung? Wie wahrscheinlich sind medizinische “Wunder”? Patienten beim Geistheiler: Umfragen im Überblick Vollständige Genesungen beim Geistheiler Besserungen von Symptomen durch Geistiges Heilen Veränderungen des Allgemeinbefindens durch Geistiges Heilen Immenser Leidensdruck - Der typische Heiler-Klient Befinden und Befund - Plädoyer für die subjektive Perspektive
Was Geistiges Heilen mitunter selbst in vermeintlich “behandlungsresistenten” Fällen an Wundersamem zustande bringt, geschah, bezeichnen Mediziner als "Spontanremission": eine Genesung (lat. remittere = sich erholen) ohne erkennbare äußere Ursache, insbesondere ohne dass eine anerkannte Therapie stattfand - sozusagen von selbst. (Das lateinische Wort sponte bedeutet wörtlich "aus eigenem Willen", "von innen heraus".)
Bis vor kurzem waren Spontanremissionen in der Medizin ein Tabuthema: Weil vorherrschende Lehrmeinungen sie nicht erklären konnten, wurden sie schlichtweg als Phantom abgetan, als Produkt unseriöser Sensationsmeldungen, und auf Fehleinschätzungen der Patienten oder Diagnoseirrtümer der behandelnden Ärzte zurückgeführt. Einen Stimmungsumschwung leitete das Jahr 1974 ein: mit einer ersten wissenschaftlichen Konferenz über Spontanheilungen bei Krebs in Baltimore, USA. Seither haben sich größere Forschungsprojekte des Phänomens angenommen. Übereinstimmend kommen sie zum Ergebnis, daß es in der Unmenge von berichteten Spontanheilungen tatsächlich einen harten Kern gibt, an dessen Echtheit kein vernünftiger Zweifel besteht. Pionierarbeit leistete dabei die amerikanische Biochemikerin Caryle Hirshberg vom "Institute of Noetic Sciences" in Kalifornien: Gemeinsam mit ihrem Kollegen Brendan O´Regan (er starb kürzlich an einem malignen Melanom, bösartigem Hautkrebs) durchforstete sie nahezu die gesamte medizinische Weltliteratur der letzten 120 Jahre nach medizinisch unerklärbaren Heilungen. Dabei stieß sie auf rund 4000 Fälle aus 20 Ländern, davon 1051 Spontanremissionen bei Krebs. (Fünfzig besonders überzeugende Fälle stellte sie kürzlich in ihrem Buch "Unerwartete
Genesungen" vor.) Als die Deutsche Krebsgesellschaft im April 1997 zu einem vielbeachteten Symposium über "Spontanremissionen bei Krebserkrankungen" nach Heidelberg lud, gehörte Caryle Hirshberg zu den Stargästen.
Bei derselben Veranstaltung machte eine deutsche Forschergruppe um Professor Dr. Walter Gallmeier und dem Oberarzt Dr. Herbert Kappauf auf sich aufmerksam, die am Klinikum Nürnberg seit 1990 unerwartete Heilungen
bei Krebspatienten erforscht. "Unser wichtigstes Anliegen ist zu zeigen, dass diese Phänomene real sind", sagt Kappauf. Aus seiner Fallsammlung stellte er 20 gutdokumentierte Beispiele vor, für welche die Schulmedizin keine plausible Erklärung anbot.
Doch auf eine Spontanheilung zu hoffen, so der Tenor des Heidelberger Symposiums, sei für Betroffene müßig. Denn allenfalls bei einem unter 60.000 bis 100.000 Krebspatienten trete eine solche Remission auf. Das wären gerade
mal 0,001 Prozent.
Auf Hilfesuchende wirken solche Statistiken niederschmetternd: Bedeuten sie nicht, dass unter mehreren zehntausend Menschen, die schwerkrank und von Ärzten aufgegeben in geistiges Heilen ihre letzte Hoffnung setzen, am Ende bloß ein einziger nicht enttäuscht wird? Wenn beispielsweise alle 340.000 Deutschen, die jedes Jahr neu an Krebs erkranken, einen Heiler aufsuchen würden - fänden dann gerade mal drei bis vier von ihnen echte Hilfe? Und steht nicht zu befürchten,
dass die Erfolgsbilanzen von Geistheilern bei anderen Erkrankungen kaum besser ausfallen, sobald ihnen mit wissenschaftlicher Akribie auf den Grund gegangen wird?
Man kann Patienten gar nicht eindringlich genug davor warnen, solche Zahlenspielereien allzu ernst zu nehmen - und sich von ihnen entmutigen zu lassen. Deren Datenbasis ist nämlich dünn: Sie besteht nur aus Fallschilderungen, die in den wichtigsten onkologischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden; das sind jährlich nicht
mehr als ein paar Dutzend. Doch wieviele Spontanheilungen bleiben unpubliziert - etwa weil der behandelnde Arzt sie nicht dokumentierte; weil er keine Redaktion fand, die seinen Bericht haben wollte; weil ihm die Zeit zur Auswertung und Veröffentlichung fehlte; oder weil sich der Patient außerhalb ärztlicher Aufsicht und Aufmerksamkeit erholte?
Hinterfragen sollten Patienten vor allem die
angelegten Maßstäbe: Inwieweit taugen sie als Entscheidungshilfen? Als "spontan" erkennen Mediziner eine Heilung nur an, wenn sie durch eine aktuelle Diagnose gesichert ist und sich innerhalb eines Zeitraums ereignete, in dem keinerlei therapeutische Maßnahmen stattfanden, die nach gegenwärtigem medizinischem Erkenntnisstand wirksam sein könnten. Solche Kriterien benötigt die Forschung, um "reine" Fälle zu isolieren - aber benötigt sie der Patient? Für seine Urteilsbildung
sind sie unrealistisch streng: Denn bei einem Großteil derer, die bei Geistheilern Hilfe suchen, liegt die letzte ärztliche Untersuchung schon Monate, wenn nicht Jahre zurück. Und vernünftigerweise schlägt kaum einer von ihnen, während er sich geistig behandeln lässt, jegliche sonstigen therapeutischen Chancen aus. Die bisherige Spontanremissionsforschung gleicht dem Fischer, der kaum etwas fängt: nicht weil es, wie er glaubt, zuwenig Fische gibt, sondern weil er Netze mit fehldimensionierter
Maschengröße durchs Meer zieht.
In einem vergleichbaren Zustand befindet sich die Medizinforschung über die "Wunder"heilungen von Lourdes. Unter den drei bis vier Millionen Pilgern, die jedes Jahr in den berühmten Marienwallfahrtsort am Fuße der französischen Pyrenäen pilgern, vermuten Experten 30.000 bis 60.000 Kranke. Lächerlich gering scheint demgegenüber jene Zahl von 65 "Wunderheilungen" zu wiegen, die von der Kirche bislang offiziell abgesegnet wurden, nachdem
ein internationales, aus dreißig Ärzten bestehendes Komitee sie gründlich durchleuchtet hat. Um Anerkennung zu finden, muss ein Fall strengsten Anforderungen genügen, die schon 1734 von Kardinal Lambertini, dem späteren Papst Benedikt XIV., in einem Kanon festgelegt wurden: Die Heilung muss plötzlich, unvorhersehbar, vollständig und ohne Rückfall erfolgt sein; das Leiden muß lebensbedrohlich und organischen Ursprungs gewesen sein; es muß ausgeschlossen werden können, dass es nicht ärztliche
Behandlung war, die zum Erfolg führte. Die Heilung muss "die Kräfte der Natur übersteigen, eine Umkehrung der Naturgesetze bedeuten und wissenschaftlich unerklärbar sein".
Kranke Pilger stützen ihre Hoffnungen indes auf andere Zahlen und Kriterien: Denn in der Geschichte von Lourdes sind dem örtlichen "Bureau Medical" immerhin 6000 Heilungen gemeldet und dort registriert worden. Daß ihnen die Anerkennung letztlich versagt blieb, spricht nicht unbedingt gegen ihre
Glaubwürdigkeit. Denn wieso soll sich ein "Wunder" nicht auch langsam, bloß teilweise, bei Leiden ohne erkennbare organische Ursache und von Rückfällen begleitet vollziehen? Warum soll es unangebracht sein, auch dann von einem "Wunder" zu sprechen, solange ein Leben nicht akut bedroht ist? Viele Kranke melden in Lourdes eine positive Wende gar nicht erst, zumal dann nicht, wenn sich diese - und das ist die Regel - erst längere Zeit nach ihrer Rückkehr abzeichnet: sei es
aus Bequemlichkeit, aus dem entmutigenden Wissen um die strengen ärztlichen Prüfungskriterien oder in der (möglicherweise irrigen) Meinung, eine vorausgegangene oder begleitende Therapie habe die Besserung herbeigeführt.
Solange die Medizinforschung nicht mit brauchbareren Entscheidungshilfen aufwarten kann, orientieren sich Patienten besser an Patienten: an persönlichen Eindrücken und Erfahrungen, welche Betroffene selbst sammelten, nachdem sie sich Geistheilern anvertraut haben. Und
darüber weiß man inzwischen bereits erfreulich viel, s. Patienten beim Geistheiler: Umfragen im Überblick.
Literaturhinweise in Geistiges Heilen - Das Große Buch sowie Fernheilen, Band 2. | | Geistheiler - Der Ratgeber |