| Ein Wunder ist, was uns verwundert, ehe wir mehr wissen.
Daß unter Esoterikern nur erbauliche Botschaften Gehör finden, verrät, welche Nöte sie kompensieren müssen.
Auch der ausgeprägteste Aberglaube endet spätestens beim 13. Monatsgehalt.
Die meisten Leiter von Esoterikkursen scheinen auf ihrem eigenen spirituellen Entwicklungsweg den Grundsatz beherzigt zu haben: Ehe du für andere ein guter
Leerer sein kannst, mußt du selbst in die Leere gehen.
Im Drüben ist gut fischen.
Besonders häufig erhalten Medien Besuch von Leuten, die wissen möchten, ob es einem Verstorbenen, dem sie nahestanden, drüben gut geht. Selbst wenn die übermittelte “Botschaft aus dem Jenseits” glaubhaft klingt und beruhigt - könnte nicht auch dort schon im nächsten Moment alles anders werden? Warum soll grundlegender Wandel auf das Diesseits beschränkt bleiben?
Spiritisten,
einschließlich ihrer “spiritualistischen” Geistesverwandten, vermengen zwei Glaubenssätze, die durchaus nicht zwingend zusammengehören. Selbst wenn wir die Existenz von körperlosen Geistwesen einräumen und Medien zutrauen, sich mit diesen zuverlässig kurzzuschließen, darf immer noch bezweifelt werden, ob die Jenseitigen, egal wie “aufgestiegen”, klarer sehen als unsereins: ob auf ihre Eindrücke, sei es von ihrer Heimat oder von unserer, Verlaß ist. Wenngleich ohne
Sinnesorgane und Gehirn, müssen auch sie die Welt in irgendeiner (ätherischen, energetischen) Struktur kognitiv repräsentieren - und wie stets, wenn abgebildet wird, können Sein und Schein auseinanderfallen. Seiner vertrauten Sinne beraubt, ist ein Totengeist für die Andere Welt, wie sie ist, womöglich noch blinder als wir Inkarnierten.
Durchaus vorstellbar ist, daß es auch im Drüben Medien gibt - zu Rate gezogen von Totengeistern, die wissen wollen, wie es in unserer Welt zugeht. Die
jenseitige Vorfreude auf die nächste Inkarnation könnte dann den gleichen Grund haben wie die diesseitige Vorfreude aufs Jenseits: mediale Fehlleistungen.
Die meisten Anhänger von Reinkarnationslehren können sich mühelos vorstellen, daß Seelen auf ihrer Wanderschaft auch in Kühe, Bäume oder sogar Steine schlüpfen. Zugleich stutzen sie bei dem Vorschlag, solche Inkarnationen auch in Coladosen und Kaugummis, in Flaschenöffnern und Staubsaugern zu vermuten. Das sollte uns stutzig
machen.
Während sich immer mehr Esoteriker von Engeln beschützt wähnen, nimmt die Zahl der Opfer von Unfällen und Gewalttaten weltweit Jahr für Jahr weiter zu. Offenbar verlegen sich immer mehr Himmlische darauf, nur noch diejenigen zu eskortieren, die an sie glauben.
Statt die Andere Welt im Jenseits zu suchen, solltest du mithelfen, diese Welt zu einer anderen zu machen. Auch deiner Zukunft im Jenseits zuliebe, sofern es eine gibt.
Wann ist die Esoterikszene endlich
reif für das Schweißperlen-, Nasenpopel- und Trauerrand-unterm-Fingernagel-Orakel?
“Lichtnahrung” heißt so, weil ihre Propagandisten nur im Dunkeln essen. Nicht vor, sondern nach dem ersten Besuch, den Außerirdische uns abstatten, wird sie die Frage beschäftigen: Gibt es intelligentes Leben auf der Erde?
In den westlichen Industrieländern glauben inzwischen mehr Menschen daran, daß es Außerirdische gibt, als an die Existenz Gottes. Ist es Zufall, daß
Ufo-Sichtungen und ET-Auftritte seit Mitte des 20. Jahrhunderts im selben Maße zunahmen, wie die Autorität der christlichen Amtskirchen verfiel? Aus Ufologie, Präastronautik und ET-Rendezvous spricht ein Horror vacui: Immer mehr Erdlinge bedrückt die Furcht, allein zu sein in einem toten, gottverlassenen Universum. Wenn wir schon vaterlos sind, wollen wir wenigstens Gesellschaft. Und insgeheim erhoffen wir uns von einer überlegenen Intelligenz, aus der Tiefe des Raums jene Orientierung und
Sinngebung wiederzuerlangen, die wir vom Himmel hoch nicht mehr erwarten. Wir sehnen uns nach Ersatzgöttern.
Wer die Vermutung belächelt, daß die Außerirdischen längst unter uns sind, hat offenbar noch nie Fernsehauftritte von Spitzenpolitikern miterlebt.
Wäre ich ein Außerirdischer und technisch imstande, über Nacht auf einen Schlag Abermillionen von Halmen auf abgelegenen Getreidefeldern so umzulegen, daß sie riesige, geometrisch vollkommene Strukturen darstellen - würde ich
solche Strukturen nicht eher auf dem Rasen vor dem Weißen Haus, auf der Stirn des UNO-Generalsekretärs oder auf Milliarden von Fernsehschirmen zur besten Sendezeit plazieren, falls ich den Erdlingen meine Existenz beweisen, etwas mitteilen und bewegen will? Und würde ich es nicht eher englisch versuchen als fraktal? ET´s, die unseren Planeten ansteuern, nur um hier jahrhundertelang immer wieder mal Kornkreise zu malen, sind vermutlich einer außerirdischen Psychiatrie entsprungen. Ebensogut
könnte es sich um den Spuk eines körperlosen Kollektivs von ermordeten südenglischen Ackerbauern handeln. Oder um das sozialpsychologische Langzeitexperiment eines zeitreisenden Anglophilen aus unserer eigenen Zukunft.
Die Scheidungsrate bei wiedervereinigten Dualseelen hält mit jener bei bürgerlichen Ehen, die aus gänzlich unesoterischen Beweggründen zustandekamen, mühelos mit. Das sollte Reinkarnationsgläubigen zu denken geben.
Der Weltkongreß der Astrologen hat ohne
Gegenstimme die Einführung des Chamäleons als 13. Tierkreiszeichen beschlossen. Es zeigt ab sofort jede absonderliche Kombination von Charaktereigenschaften an, bei denen bisher selbst Astrologen mitunter das mulmige Gefühl beschlich, sie stehe noch nicht in den Sternen. Die Kritik, dadurch werde die Astrologie gegen das Risiko des Scheiterns von vornherein immunisiert, wies das Präsidium entschieden zurück: “Richtig lagen wir schon immer. Künftig liegen wir noch
richtiger.”
Kongreßveranstalter, die mit den Superstars der Esoterikszene um Referentenhonorare, Reise- und Hotelspesen feilschen müssen, sind sich einig: Bei der spirituellen Lichtgestalt von heute handelt es sich um die simultane Inkarnation von Saulus und Dagobert Duck.
Wie Esoteriker mit dem geistigen Eigentum anderer Leute umgehen, ergibt sich unmittelbar daraus, daß wir letztlich sowieso alle eins sind.
Was du im Kopf eines Esoterikers vergeblich suchst, hat
er vermutlich in die Außenbezirke seiner Aura ausgelagert.
Warum tut sich die Esoterikbewegung chronisch schwer damit, Lesenswertes hervorzubringen? Weil gute Literatur aus eben jenen inneren Spannungen und Ungleichgewichten erwächst, von denen sich Esoteriker selbsterlöst wähnen. Sie arbeitet auf, was so nicht hätte geschehen dürfen oder anders besser verlaufen wäre; sie findet sich nicht ab mit dem, was ist; sie versucht Zukunft mitzugestalten, in Sorge, was andernfalls auf uns
zukäme. Wer ganz entspannt, ausgeglichen und von universeller Liebe erfüllt im Hier und Jetzt lebt, dem sind solche Regungen reichlich fremd, und spürt er sie doch, so meditiert er sie schleunigst hinweg. Entsprechend liest sich, was er zu Papier bringt. Aus kulturhygienischen Gründen sollten sich Esoteriker aufs Musizieren und Malen verlegen.
Unter “spirituellem Erwachen” versteht man den Übergang ausgedehnter Areale der Großhirnrinde in die Tiefschlafphase.
Was
hat das Glühwürmchen der Lichtgestalt voraus? Es leuchtet von innen heraus.
Angetan, betört und eingelullt vom heimeligen Jeder-liebt-alles-und-jeden-Geschwalle, läßt sich auch mancher kritischere Geist zeitweilig in die Eso-Szene hineinsaugen und vereinnahmen - vielleicht, weil er Wahrheit sucht, die nicht nur den Kopf beschäftigt, sondern zu Herzen geht. Zu Fluchtbewegungen kommt es erst, wenn er auf zuviel scheinheiliges Gesindel trifft, mit dem er weitere Begegnungen lieber aufs
nächste Leben vertagt. Nach verlorener Zeit inmitten hyperspiritueller Selbstgefälligkeit und Verlogenheit sehnt er sich zurück nach der klaren Kälte des Old Age, das wenigstens keinen Hehl daraus macht, was in ihm zählt.
Zuckersüß, wie es überall in der Szene zugeht, gehört Astral-Diabetes zum esoterischen Berufsrisiko.
Wenn “alles Karma” ist, dann gewiß auch das Vorhandensein einer Esoterikszene - und der Umstand, daß du ihr zugehörst. Welche spirituelle Lektion
erwächst dir daraus? Drin bist du womöglich, weil du andernfalls deine besonderen Glaubens-, Zugehörigkeits- und Wärmebedürfnisse nicht so exzessiv ausleben könntest; weil Verblendung erst auf die Spitze getrieben werden muß, ehe es dem Heimgesuchten wie Schuppen von den Augen fallen kann. Und vielleicht trägt der esoterische Mitläufer ein in früheren Leben angehäuftes Karma ab, in dem er Anderen der Rattenfänger war - und sie in Abhängigkeit, Unmündigkeit und Verblendung
trieb.
Esoterik schließt die Ideologie einer insgeheimen, umfassenden Verbundenheit zwischen uns allen ein, die jegliche raumzeitlichen Grenzen sprengt. Telepathische Brücken, morphische Felder, Aura-Kontakte, Schwingungsresonanzen, karmische Bande über viele Inkarnationen hinweg: all dies verbindet uns angeblich, wer, wo und wie immer wir sind. Eben hierin liegt ein Schlüssel zur Antwort auf die Frage, wie die Esoterikbewegung ausgerechnet Ende des zweiten Jahrtausends ausgerechnet in
der westlichen Welt Furore machen konnte. Sie ist ein romantischer Abwehrreflex auf den schmerzlichen Verlust von sozialer Gemeinschaft, auf die Atomisierung des öffentlichen Raums in Miniparzellen von egozentrischen Selbstverwirklichern. Je isolierter du bist, desto zugehöriger mußt du dich fühlen, um nicht psychisch vor die Hunde zu gehen. Esoterik: ein verführerisches Angebot zur Selbsttherapie gegen Vereinsamung.
Die Sehnsucht, von einer Gemeinschaft anerkannt, aufgenommen und in
ihr geborgen zu sein, hat zweifellos genetische Wurzeln: Nur in der Gruppe konnte die menschliche Art im Überlebenskampf bestehen, der auf diesem Planeten seit Jahrmillionen tobt. Unser Erbgut sieht für uns eine Existenz als Herdentier vor; ein Dasein außerhalb löst einen von Hunger, Angst und Schmerz begleiteten Mangelzustand aus, der längerem Nahrungsentzug durchaus ähnelt. Wer diesen evolutionsbiologischen Hintergrund mitbedenkt, versteht die überbordende Sozialromantik der
New-Age-Bewegung besser: Die Idee, wir alle seien stets und überall miteinander in Liebe vereint, erwächst aus der andauernden Frustration jener angeborenen Sehnsucht in der individualisierten Gesellschaft unserer Zeit. Sie kompensiert eine alltägliche Erfahrung von Lieblosigkeit mit einer wahnähnlichen Vorstellung, die der Fata Morgana des Verdurstenden in der Wüste durchaus ähnelt - und bewahrt davor, existentialistische Schlüsse zu ziehen.
Esoterik ist hochgradig pathogen. Je länger
und hingebungsvoller du dich ihr aussetzt, desto größer wird dein Risiko, eine Neurose zu entwickeln, die durch mehrere der folgenden Symptome gekennzeichnet ist: - gesteigerte Unterwürfigkeit - geschwächtes Ich-Bewußtsein - unvermittelt einsetzende Denkblockaden - fatalistische Anwandlungen (sogenannte “Karma-Krisen”) - Verfolgungswahn, wobei eine spiritistische, eine vampiristische, eine schwarzmagische, eine dämonistische und eine
ufologische Variante vorherrschen; es überwiegen Mischformen. - eine Verknotung der Gehirnwindungen im Sprachzentrum, die sich orthographisch, syntaktisch und/oder semantisch bemerkbar machen kann; - ein manisch-depressives Schwanken zwischen Erleuchtungseuphorie und Nichtigkeitsgefühl; - unentwegte Sinngebungszwänge. Die Esoterose ist hochinfektiös; sie kann durch Schallwellen und Papier übertragen werden. Die meisten Betroffenen sind therapieresistent.
Wenn sich dir vor lauter vereinnahmenden Umarmungen die Nackenhaare immer steiler sträuben; wenn dir all das zugesandte Licht kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen läßt; wenn du deine rosa Brille im Mülleimer entsorgen magst; wenn dir vor lauter empathischem Mitresonieren mal wieder nach einem zünftigen Streit zumute ist; wenn du endlich wieder siezend Abstand herstellen magst; wenn du nicht mehr Hand in Hand mit Hinz und Kunz auf meditative Wanderschaft gehen willst; wenn du nicht von jedem universell geliebt werden willst; wenn dir danach ist, auf einen Totengeist mal wieder richtig zu fluchen; wenn dir der Sinn danach steht, mit der göttlichen Liebesenergie zu hadern; wenn dir ein starkes Ich lieber ist als ein lasches Wir; wenn du nicht länger eins mit allem sein magst, weil es einschließt, sich auch mit diesem und jenem gemein zu machen; wenn du gegen das Elend der Welt lieber ein Hilfspaket als einen meditativen Heilstrahl auf den Weg bringst; wenn du der Scheinheiligkeit überdrüssig bist; wenn du keinem mehr folgst, bloß weil er dir ein paar Dutzend Inkarnationen voraus haben will; wenn du wieder einmal in vollen Zügen genießen willst, mit der Materie verhaftet zu sein, und dich im Grobstofflichen austoben magst - dann wird es Zeit, sich aus der Esoterikszene zu verabschieden.
Weitere Begegnungen mit manchen esoterischen Scheinheiligen verschiebe ich lieber auf die nächste Inkarnation - guter Hoffnung, daß ihre karmischen Vorbelastungen aus dem jetzigen Leben ihnen keine Wiedergeburt im Schweinestall bescheren.
“New Age”: eine Ende des zweiten nachchristlichen Jahrtausends großflächig einsetzende Erschließung neuer Macht-, Protz- und Profitquellen durch ihre Propagandisten, in Verbindung mit der initiatischen Einsicht ihrer Anhänger, dies bedeute den quantensprunghaften Eintritt ins Kassenmannzeitalter. Nu ätsch.
Ehe du dich einer Vision wie der vom “Neuen Zeitalter” hingibst, bedenke, daß eine wie die andere das Ende aller Visionen bedeuten würde. Niemand käme mehr darauf, sich eine bessere Welt auszumalen, wenn die beste aller möglichen schon Wirklichkeit wäre; niemand dächte mehr quer; niemand würde mehr über das hinausträumen, was ist. Vor einer solchen Welt graut mir, in ihr würde ich nicht leben wollen.
Wie sollte man mit Psi-Phänomenen umgehen - eher glaubens- oder forschungsorientiert? Ebensogut könnten Sie fragen: Sollte man einen Klumpen Gold eher zu Diademen oder zu Zahnfüllungen verarbeiten? Glaubenshungrige ebenso wie Forschungshungrige behandeln die Phänomene konsequent im Einklang mit ihren Interessen und Bedürfnissen - und in diesen spiegelt sich letztlich wieder, daß hier wie dort, salopp gesagt, ein unterschiedlicher Menschenschlag vorherrscht. Was Kant das "metaphysische Bedürfnis" und William James den will to believe nannten und für eine anthropologische Grundkonstante hielten, treibt die einen mächtig um, während es die anderen ziemlich kalt läßt. Die einen wollen glauben, weil es ihnen erst dann richtig gut geht - die anderen fühlen sich glaubensfrei nicht weniger gut. Die einen suchen Antworten auf die Sinnfrage - die anderen finden allein schon die Frage unsinnig. Die einen schreckt die Aussicht, im Tod vollständig vernichtet zu werden - die anderen sehen darin die einzig mögliche Form von Erlösung. Die einen füllen den Erklärungsnotstand um Psi-Phänomene mit Religion - die anderen sind imstande, ein theoretisches Vakuum geraume Zeit ohne Atemnot auszuhalten. Für die einen sind Wunder Chiffren der Transzendenz - für die anderen ist ein Wunder etwas, das uns nur solange verwundert, bis wir mehr wissen. Für die einen bilden Intuition und Gefühl die wichtigste Erkenntnisquelle, für die anderen Beobachtung, Experiment und Logik. Der Konflikt zwischen Esoterik und Wissenschaft ist letztlich der Konflikt zwischen zwei verschiedenen Lebensformen, die unterschiedliche Charaktere anziehen, prägen und fördern. Diese Charaktere können einander nicht überzeugen und bekehren - nur einander respektieren lernen. (Aus einem Vortrag über “Rätselhafte Erscheinungen” beim Kongreß “Die Andere Welt”, November 2002 in Basel.)
Zu den unhinterfragten Glaubensgewißheiten von Esoterikern gehört, daß Reinkarnation ein durch und durch edles Entwicklungsprinzip darstellt, das uns, zumindest auf lange Sicht, zielsicher vom Niederen, Ungerechten und Schuldhaften zum moralisch Vollkommenen führt - zu etwas Göttlichem hin, göttlich gesteuert. Die Alltagserfahrung indes haben eher Satanisten nicht weniger auf ihrer Seite: Wie eh und je werden Aufrichtige hintergangen, Tapfere entmutigt, Treue betrogen, Großzügige ausgenutzt, Rücksichtsvolle beiseite geschoben, Bescheidene übertönt, Mutige kaltgestellt, Arglose ausgetrickst. Könnte das “Rad der Wiedergeburt” nicht ein vom Teufel persönlich ausgeheckter und installierter Quälmechanismus sein, der uns so lange unerbittlich von einem Körper in den nächsten zwingt, bis wir begriffen haben, daß seine Ordnung das All durchdringt; daß wir seine Kinder sind und zu ihm zurückkehren müssen - was uns allerdings erst dann gelingt, wenn wir von Inkarnation zu Inkarnation gelernt haben, jegliche Skrupel immer souveräner hinter uns zu lassen, um das Böse auf die Spitze zu treiben? Unglaublich ist dies nur, insofern sich alles in uns dagegen sträubt, es glauben zu wollen. Es darf nicht sein, weil es nicht erbaut.
Heilen
Er übte die Heilkunde im Umherziehen aus. Handauflegend, gesundbetend und exorzierend kurierte er Kranke, ohne als Arzt approbiert oder wenigstens als Heilpraktiker zugelassen zu sein. Deshalb säße Jesus Christus, falls er heute unter uns wäre, als besonders hartnäckiger Wiederholungstäter längst hinter Schloß und Riegel. (Siehe H. Wiesendanger: Geistiges Heilen für eine neue Zeit, Kösel: München 1999, “Jesus hinter Gitter?, S. 340-347.)
Einzug ins Gesundheitswesen wird Geistiges Heilen
erst halten, wenn genügend Ärzte begriffen haben, welches Geschäft ihnen entgeht, solange sie es der nichtapprobierten Konkurrenz überlassen.
Zwei esoterische Glaubenssätze verhindern ein tieferes Verständnis Geistigen Heilens. Erstens die Meinung, es stecke “Geist” dahinter: ein “übernatürliches” Etwas, das segensreich in die Körper von Kranken hineinwirkt, obgleich eine Wesenskluft es von der physischen Welt trennt. Zweitens die Ansicht, dieser
heilende Geist sei Gott näher als irgendein anderes therapeutisches Agens. Das Geheimnis Geistigen Heilens liegt nicht in einem unkörperlichen Jenseits, dem religiös Bewegte am nächsten kommen, sondern in biophysikalischen Prozessen, die unsere Generation noch nicht einmal ansatzweise erfaßt.
Soweit sich die Heilerbewegung organisiert hat, krankt sie, vermutlich behandlungsresistent, an Scheinheiligkeit. Ihre Verbände werkeln als verkappte Werbeagenturen: Ihren Mitgliedern, und
nur diesen, verschaffen sie über “Info-Dienste”, “Anerkennungen” und “Diplome” gutgläubige Kundschaft, wofür sich ihre Funktionäre mehrwertsteuerfrei durch Mitgliedsbeiträge und Prüfungsgebühren alimentieren lassen. So wäscht eine Hand die andere. Auf der Strecke bleibt dabei der Hilfesuchende, der selten hinterfragt, welche Art von Heilern es nötig hat, solche Handlangereien in Anspruch zu nehmen.
Die ferne Zukunft Geistigen Heilens wird teils von
technischen Vorrichtungen bestimmt werden, welche das an ihr beteiligte physikalische Agens weitaus dosierter und gezielter, zuverlässiger und nachprüfbarer an Kranke weitergeben, als dies den fähigsten Heilern von heute ab und zu intuitiv gelingt; teils von psychotherapeutisch geschultem Personal, das an Kranke weitaus differenzierter, variabler und individueller weitergibt, woraus Geistiges Heilen
sonst noch besteht: Aufmerksamkeit, Zuwendung, Suggestion, ein Leidensmythos - und Sinn. Mit anderen Worten: Die Zukunft gehört dem Geistheilen ohne Geistheiler.
Chronische Schmerzen höchsten Grades machen schier besinnungslos - es sei denn, die Opfer stopfen sich mit Analgetika voll, die sie nur noch benommen dahindämmern lassen. Esoterisch betrachtet, enthält natürlich auch diese Krankheit eine Lektion: die Erfordernis, sich von esoterischer Medizin zu verabschieden. Lektionen zu lernen, setzt nämlich zuallererst eines voraus: bei klarem Verstand zu sein.
Leserstimmen
“Habe eine Leseprobe zur Esoterik im Kap. 5 von ‘Auf weiter Flur’ gelesen und mich köstlich amüsiert!!! Werde es Weihnachten an alle meine ‘esoterischen Schwärmer-Freunde’ verschenken.” Anne-Rose Mietz (D), Logopädin und Familientherapeutin |