FLIEGE-Redaktion: Welche unterschiedlichen Arten von Heilen gibt es? Wiesendanger: Unüberschaubar viele, vermutlich tausende. Wohl die beiden grundlegendsten Varianten sind Kontakt- und Fernheilen: Geistiges Heilen in An- oder Abwesenheit des Patienten. Aber innerhalb jeder Kategorie finden wir feine und feinste Verästelungen, die von ihren Anhängern mit scholastischer Differenzierungswut ausgemalt und begründet werden. Allein das Handauflegen – die mit Abstand verbreitetste Form des
Kontaktheilens – wird in über hundert verschiedenen Varianten praktiziert (Siehe Das Große Buch vom Geistigen Heilen, Kap. 1): Manche Heiler berühren dabei den Patienten, andere halten bis zu mehrere Zentimeter Abstand; manche legen die Hand unabhängig vom Krankheitsbild immer an
die gleiche Stelle – z.B. aufs Brustbein oder über den Kopf -, andere an den Ort der Beschwerden oder ihren vermuteten Ausgangspunkt, wieder andere an ein oder mehrere festgelegte Stellen, z.B. in den Bereich von ”Energiezentren” eines zweiten, feinstofflichen Körpers, die sogenannten “Chakren” – manchmal intuitiv nach Belieben, manchmal auch in lehrbuchgemäß strikt festgelegter Reihenfolge; manche halten die Hand ruhig,
bei anderen hingegen ist sie ständig unterwegs, in tastenden, streichenden, kreisenden, winkenden, abstreifenden oder ausschüttelnden Bewegungen; manche arbeiten bloß mit einer Hand - meist mit der rechten -, andere setzen beide Hände ein. Das “Fernbehandeln” – also Geistiges Heilen in Abwesenheit des Patienten – wartet mit mehr als zwei Dutzend Spielarten auf, soweit man sich bloß auf
die verbreitetsten konzentriert. Sie stelle ich in einem neuen Buch vor. (Fernheilen, Band 1, Kap. “Die Vielfalt der Methoden”) Bei Reiki – einer beim deutschen Heilernachwuchs neuerdings besonders populären, aus Fernost importierten Heilweise, die Elemente des Handauflegens und Fernbehandelns kombiniert - haben sich inzwischen über 40 verschiedene Schulen ausgebildet, die sich teilweise heftige
Abgrenzungsgefechte liefern. (Siehe Fernheilen, Band 1) Das macht es für Hilfesuchende nicht gerade leicht, die richtige Wahl zu treffen. FLIEGE-Redaktion: Wer darf sich “Heiler” nennen? Wiesendanger: Leider jeder, der sich dazu berufen fühlt: Bisher ist “Heiler” keine geschützte Berufsbezeichnung, wie z.B. “Arzt” oder Psychotherapeut”.
Und deshalb ist ein “Heiler”, zugespitzt formuliert, vorerst jemand, der glaubt, er sei einer, und genügend Kunden findet, die ihm das abnehmen. Ich wüsste allerdings auch nicht, auf welcher rationalen Grundlage man den Titel “Heiler” momentan schon schützen könnte. Denn bisher mangelt es schlicht an brauchbaren, wissenschaftlich abgesicherten Testverfahren, um zu entscheiden, ob einer wirklich heilen kann oder nicht.
FLIEGE-Redaktion: Wie wird man zum Heiler?
Wiesendanger: “Den” Königsweg gibt es nicht. Wer sich in der Szene umhört und sich von Heilern ihren Werdegang erzählen lässt, bekommt Einblicke in eine Fülle von unterschiedlichen Biografien. l Die Fähigkeiten mancher Heiler scheinen regelrecht in der Familie
zu liegen, sie wurden über Generationen weitergegeben. l Manchmal traten sie spontan schon in früher Kindheit auf, hin und wieder auch l nach Unfällen oder anderen lebensgefährlichen Situationen, oft verbunden mit einem Nahtodeserlebnis; l nach einer schweren Krankheit; l nach tiefen persönlichen Krisen;
l nach einem physischen Zusammenbruch; l durch zufälliges Ausprobieren - meist an kranken Angehörigen, Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen; l durch Hinweise von anderen Heilern, oder auch Medien und Wahrsagern; l durch ein "Erleuchtungserlebnis", etwa in einer Vision oder einer “inneren
Stimme” folgend; l durch Selbststudium. l durch eine Ausbildung.
FLIEGE-Redaktion: Kann man das lernen?
Wiesendanger: Ausbildungen sind in der westlichen Heilerszene seit ein,
zwei Jahrzehnten ganz groß in Mode – bestimmt auch deshalb, weil sich gerade dieser Weg zum Heilen kommerziell am besten ausschlachten lässt. Dabei variieren die Angebote extrem, sowohl formal als auch inhaltlich, und bei all diesem bunten Durcheinander fragt sich der außenstehende Betrachter natürlich: Welche Ausbildung bringt denn die besten Heiler hervor? Vergleichende Effizienzstudien hat bisher niemand überprüft.
Ja, es muss grundsätzlicher gefragt werden: Ist überhaupt irgendeine dieser Ausbildungen geeignet, aus Laien gute Heiler zu machen? Und sind ausgebildete Heiler wirklich besser als unausgebildete? In beiden Punkten bin ich eher skeptisch. Denn gerade herausragende Heiler habe ich bisher vornehmlich unter sogenannten “Naturtalenten” gefunden, denen ihre Fähigkeit regelrecht “zufiel”. Bisher gibt es nicht den Hauch eines
Beweises dafür, dass man eher zum Heiler wird, wenn man für ein paar hundert oder tausend Euro Kurse belegt und ein “Diplom” erwirbt, als wenn man öfters mal die Hände faltet und inbrünstige Gebete zu Gott richtet, Er möge einem Heilkraft zuteil werden lassen.
FLIEGE-Redaktion: Welche Erfahrungen haben Sie grundsätzlich mit Heilern gemacht?
Als Patient: kaum welche, denn bisher war ich nie ernstlich krank. (Berichten kann ich bloß von zwei üblen Erkältungen, die jeweils über Nacht verschwanden, nachdem sich befreundete Fernheiler mehrere hundert Kiometer weit weg um mich kümmerten.) Als wissenschaftlicher Beobachter und Versuchsleiter, aber auch privat habe mehrere Hundert kennengelernt. Und mit je mehr Heilern man persönlich in Kontakt kommt, desto klarer wird einem, dass es “den” Heiler nicht gibt,
ebensowenig wie “den” Arzt oder “den “Pfarrer”. Unter Heilern habe ich Gottesfürchtige und Atheisten kennengelernt, Asketen und Lebenskünstler, Schweiger und Schwätzer, Liebevolle und Technokraten, Altruisten und Egomanen – also ein denkbar breites Spektrum von Persönlichkeitstypen, wie man sie in jeder größeren sozialen Gruppe antrifft. Und was ihre Fähigkeiten anbelangt: Wie in jedem Beruf, so gibt es auch
unter Heilern wenige herausragende Könner, viel Mittelmaß – und etliche Nieten. Gerade aufgrund der Heilerschwemme, die uns die vergangenen zwei, drei Jahrzehnte beschert haben, wächst der Anteil unerfahrener, dürftig begabter, sich selbst überschätzender Geistheiler stetig. Inzwischen überwiegen bemühte Dilettanten. Eine Geistheilung benötigt gegenwärtig zuallererst die Heilerszene selbst.
FLIEGE-Redaktion: Bei welchen Krankheiten ist Geistiges Heilen besonders effektiv?
Wiesendanger: Kritiker unterstellen, Geistiges Heilen helfe allenfalls bei Leiden mit besonders ausgeprägten psychischen Anteilen – denn diesen sei mit Suggestionen, Entspannung, Zuwendung usw. am ehesten beizukommen. In Wahrheit nützt es erfahrungsgemäß aber bei jeder chronischen Erkrankung
– und zwar um so besser, je eher sich ein Patient darauf einlässt. Auch Heiler erreichen in frühen Krankheitsstadien mehr als in fortgeschrittenen. Dabei darf man “Effektivität” allerdings nicht mit “vollständiger Heilung” gleichsetzen – die kommt auch bei Geistigem Heilen nur ausnahmsweise vor. Aber als “effektiv” darf eine Therapie ja auch dann schon gelten, wenn sie
Beschwerden lindert, eine weitere Verschlimmerung verhindert oder zumindest ein Fortschreiten der Krankheit verlangsamt, und über einzelne Symptome hinaus auch Allgemeinbefinden und Lebensqualität verbessert. All das leistet Geistiges Heilen zweifellos in beachtlich vielen Fällen.
FLIEGE-Redaktion: Muss man daran glauben?
Wiesendanger: Zwar profitiert ein Patient eher davon, wenn er von vornherein aufgeschlossen ist und an seine Chance glaubt. Aber erstens gilt das für jede Therapie, auch die schulmedizinisch anerkannten, und zweitens wird auch Skeptikern geholfen. Es sind ja keineswegs nur eingefleischte Esoteriker, die zu Heilern gehen, sondern Kranke aus allen Bevölkerungsschichten, übrigens auch Ärzte. Skeptiker unterstellen: Beim Geistigen Heilen wird ein Ritual vollführt, das
in Verbindung mit geeigneten Suggestionen des Anwenders und bestimmten Erwartungen des Behandelten manchmal durchaus hilfreich sein kann – nämlich als Placebo, ein Scheinmedikament, das dadurch wirkt, dass an seine Wirkung geglaubt wird. Dabei verkennen sie, dass diese psychologischen Faktoren nicht alles erklären. Denn erstens lassen inzwischen mehrere hochwertige Doppelblindstudien vermuten, dass Heiler auch dann Wirkungen erzielen
können, wenn Patienten gar nicht wissen, ob und wann sie behandelt werden – zum Beispiel bei Angina Pectoris und anderen Herzleiden, bei offenen Wunden, bei Schmerzen, bei unerfülltem Kinderwunsch, bei Aids im fortgeschrittensten Stadium. Und zweitens deuten Dutzende von Labortests darauf hin, dass Heiler auch Tiere und Pflanzen beeinflussen können, Pilze und Bakterien, isolierte Zellen, Enzyme, DNS, ja sogar Wasser und anderes anorganisches Material – also
Objekte, denen wir schwerlich zutrauen würden, dass sie für Suggestionen anfällig sind und dazu neigen, auf Placebos hereinzufallen.
FLIEGE-Redaktion: Wo liegen die Grenzen des Geistigen Heilens?
Wiesendanger: Die Grenzen liegen wohl dort, wo auch die natürlichen Selbstheilungskräfte des Menschen an Grenzen stoßen – denn diese sind es
vermutlich, die durch Geistiges Heilen angeregt werden. Ihr Potential wird von der Schulmedizin immer noch gewaltig unterschätzt. Natürlich ist auch dieses Potential nicht unerschöpflich: Ein amputiertes Bein, ein gezogener Zahn oder eine herausoperierte Niere ist auch in der Praxis eines Geistheilers noch niemandem nachgewachsen. Allerdings kann unter heilenden Händen z.B. durchaus ein bösartiger Tumor plötzlich zu wachsen
aufhören oder sich sogar vollständig zurückbilden – und eben dazu ist unser Immunsystem in seltenen Fällen auch ohne die Mitwirkung eines Geistheilers imstande, wie die Forschung über ”Spontanremissionen” zeigt.
FLIEGE-Redaktion: Was zeichnet einen guten Heiler aus?
Wiesendanger: Ja, das ist die Preisfrage. Es ist viel leichter zu sagen, woran man einen guten Heiler nicht
unbedingt erkennt: - nicht an den Schlagzeilen, für die er sorgt - nicht an der Zahl seiner Fernsehauftritte - nicht an seinen Honoraren - nicht an seinen Titeln - nicht an seiner Zugehörigkeit zu irgendwelchen Vereinen - nicht an seinen Inseraten, Werbezetteln, Broschüren und Internet-Auftritten. Aber wann ist demgegenüber ein Heiler gut? Wenn seine Taten einigermaßen halten, was sein Name verspricht: d.h. wenn er wirklich heilen kann. Dazu muss er nicht immer und überall eine
vollständige Genesung erreichen – auch der beste Arzt kann das nicht. Es gehört aber sicherlich auch mehr dazu als nur, ab und zu irgendwie dazu beizutragen, dass es jemandem in irgendeiner Hinsicht besser geht als vorher. Ein Heiler ist gut, a) wenn er bei einem beachtlichen Prozentsatz seiner Patienten den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst; b) wenn ihm dies nicht nur als begabter Laienpsychologe und
Suggestivkünstler gelingt, sondern indem er diese “Heilenergie”, auf die er sich beruft, auch tatsächlich einsetzt. Aber um beides zuverlässig festzustellen, bräuchten wir im Grunde ein ausgiebiges medizinisches Screening in mehreren tausend Heilerpraxen – und diesen enormen Aufwand kann und will niemand treiben; und wir bräuchten physikalische Messtechniken für diese mysteriöse “Energie” – und darüber verfügen wir noch nicht.
FLIEGE-Redaktion: Wie lassen sich die Fähigkeiten von Heilern überprüfen?
Wiesendanger: Das sind im Grunde zwei Fragen: 1. Welche Möglichkeiten gibt es heute grundsätzlich? Siehe oben. 2. Welche Möglichkeiten hat der Patient bei seiner Suche nach Hilfe? Er sucht jetzt Hilfe, und jetzt muß er entscheiden, welchem Heiler er sich anvertraut. Und dazu bleibt ihm vorerst nur das Vertrauen in die eigene
Intuition und den Mut zum Ausprobieren.
FLIEGE-Redaktion: Wie sollten Patienten bei der Suche nach einem Heiler unter diesen Umständen vorgehen?
Wiesendanger: Ich rate ihnen, dabei in drei Schritten vorzugehen. 1. Machen Sie im ersten Schritt
zwei, drei Heiler in der Nähe Ihres Wohnorts ausfindig – und holen Sie dabei möglichst viele Vorinformationen über die Betreffenden ein. Diese bekommen Sie aus einer “Heiler-Datenbank”, die ich seit 1992 führe. Ihr können Sie nicht nur Postanschriften und Telefonnummern entnehmen, sondern auch so aufschlussreiche Details
wie: Seit wann heilt er – etwa erst seit ein paar Monaten nach Feierabend, oder vielleicht schon über zehn Jahre hauptberuflich? Wie kam er dazu? Was hat er vorher gemacht? Hat er eine medizinische Ausbildung? Welche geistige Heilmethode wendet er an? Setzt er darüber hinaus noch andere Therapien ein? Wie lange dauert eine Sitzung bei ihm? Und was kostet sie? Zweiter Schritt: Nehmen Sie Kontakt zu den Betreffenden auf; lassen Sie
sich erläutern, wie sie vorgehen; holen Sie klare Auskünfte über das Honorar ein; und verabreden Sie möglichst eine kostenlose Probesitzung. Hören Sie dabei auf Ihre innere Stimme: Macht er/sie einen seriösen Eindruck? Geht er auf Sie ein? Finden Sie mit ihm eine “gemeinsame Wellenlänge”? Dritter Schritt: Haben Sie beim Heiler Ihrer Wahl fünf bis zehn Sitzungen Geduld; beobachten Sie dabei aufmerksam, ob und inwieweit Ihre Symptome
auf seine Bemühungen ansprechen. Und steigen Sie gegebenenfalls wieder aus, falls sich an Ihrem Krankheitsbild nicht einmal ansatzweise etwas zum Besseren verändert. Ein anderer Heiler, eine andere Heilweise hilft Ihnen dann möglicherweise weiter. |