“Zukunft: jene Zeitspanne, in der unsere Geschäfte gedeihen, unsere Freunde echt sind und unser Glück gesichert ist.” Ambrose Bierce, “Wörterbuch des Teufels”, Stichwort “Zukunft” Ist Zukunft, was auf uns zukommt? Was kommt, das ist bereits, wenn auch vielleicht noch jenseits unseres Horizonts. Uns bliebe dann nur, sein Eintreten schicksalsergeben abzuwarten. Daß wir Zukunft gestalten könnten; daß von uns abhängt, wie sie wird; daß grundsätzlich jede Entwicklung möglich ist, sofern wir sie wollen und fördern (oder sie zumindest nicht verhindern) – all das wäre illusorisch.
Zu eben diesem fatalistischen Schluß scheinen uns aber die Phänomene der Prophetie und Präkognition zu zwingen: Wäre tatsächlich außersinnlich vorauszusehen, was morgen sein wird – stünde das Morgen, als künftige Tatsache, dann nicht schon fest? Eine unerträgliche Vorstellung. Da folgern wir lieber andersherum: Weil wir es in der Hand haben, was aus uns wird; weil Zukunft ist, wozu wir sie machen - deshalb kann Vorauswissen allenfalls insoweit möglich sein, wie es der menschlichen Freiheit noch Spielraum lässt: der Freiheit, zwischen Alternativen zu wählen. “Die Welt kann verändert werden”, möchten wir dem großen Zukunftsforscher Robert Jungk gerne glauben. “Zukunft ist kein Schicksal.”
“Fortschritt” ist für Zukunftsgestalter ein Schlüsselbegriff. Die atemberaubende technologische Entwicklung ist dabei, immer größere Bereiche unserer Kultur in immer rasenderer Geschwindigkeit umzuwälzen; fast alles scheint machbar, aber niemand verantwortlich. Wer das Tempo nicht mithält, oder sich gar verweigert, gilt rasch als nicht zukunftsfähig. Viele Mächtigen in Politik und
Wirtschaft kennen keine drängendere Sorge als die, ob wir uns an unsere technologische Zukunft anpassen. “Leute können sich an alle möglichen Veränderungen anpassen”, meinte dazu kürzlich der US-Pädagogikprofessor Neil Postman ketzerisch: “Die Soldaten passen sich ans Töten an, Kinder daran, daß sie keine Väter haben, Frauen daran, dass sie mißbraucht werden. Ich bezweifle nicht, daß wir uns daran anpassen können, mehr mit Maschinen als mit Menschen zu reden. Aber
damit ist noch keine einzige Frage beantwortet.” Zu den offenen Fragen zählen: - Was ist eigentlich das Problem, für das diese Technologien eine Lösung anbieten? (Brauchen wir wirklich “interaktives” TV, millisekundengenau gehende Armbanduhren, virtuelle Ersatzwelten im “Cyberspace”, autonavigationsfähige Autos, tragbare Telefaxe im Format eines Brillenetuis oder Toaster, die
menschliche Sprache “verstehen”?) - Wessen Problem ist es? (Überschallflüge nutzen Filmstars und Managern – aber benötigen wir sie wirklich?) - Wer sind die Verlierer? (Die Computerrevolution schafft neue Arbeitsplätze, vernichtet zugleich aber auch
hochwertige, erfüllende Jobs in noch größerer Zahl.) - Welche neuen Probleme könnten daraus entstehen, daß andere gelöst werden? (Das Fernsehen hat ein Fenster zur Welt geöffnet, andererseits die politische Kultur nachteilig verändert, die literarische Bildung verarmen lassen und die traditionelle Sozialisation von Kindern unmöglich gemacht. Der durchschnittliche amerikanische Teenager hat bis
zum 18. Lebensjahr mehr als 40.000 gespielte Morde gesehen.) Jeder Fortschritt hat Kehrseiten, und zurecht werden immer wieder mahnende Stimmen laut. Den rosaroten Gegenpol zu Fortschrittspessimismus setzt die euphorische Vision des “New Age”. Sie eint die Esoterikbewegung in der westlichen Welt seit
Jahrzehnten: die zuversichtliche Erwartung, dass der astrologisch bedeutsame Übergang vom “Fische”- zum “Wassermann-Zeitalter” einhergeht mit einem “spirituellen Erwachen” der Menschheit, das brachliegende geistige Potentiale freisetzt, mehr Liebe, Verantwortung und Sinn in die Welt bringt. Steckt dahinter mehr als realitätsferne Schwärmerei? (Siehe Esoterik.) Die Utopie des “New Age” schließt die Hoffnung ein, daß ihre Botschaften über die Grenzen der esoterischen Subkultur hinauswirken, um allmählich Gesellschaft und Kultur insgesamt zu erfassen. Der erste Schritt dorthin ist
allerdings der persönliche Wandel, die Selbst-Transformation: Wir sollten uns “die Gabe der Vision” zunutze machen (so die amerikanische Weisheitslehrerin Chris Griscom); “Liebe in die Welt bringen” (darum geht es dem amerikanischen Medium Barbara Marciniak); den Sinn des Wandels, von Ende und Neubeginn erkennen (so die “spirituelle Psychotherapeutin” Pamela Sommer-Dickson); “Sehnsüchte entdecken und Wünsche wahr werden lassen” (so der Sensitive
Harald Wessbecher); unsere “Mind Power” erkennen und nutzen (so das israelische Psi-Multitalent Uri Geller). |