"Spiritismus" (von lat. spiritus: Atem, Seele; engl. Spirit: Geist) faßt eine Vielzahl von Theorien zusammen, die eine Grundannahme teilen: Ein
seelisch-geistiges Etwas, das den personalen Wesenskern des Menschen ausmacht, kann den leiblichen Tod überleben - und unter bestimmten Voraussetzungen in die Sphäre der noch Lebenden hineinwirken: sei es über unmittelbare physikalische Veränderungen (wie beim Spuk
, bei Materialisationen oder bei sog. "direkten Stimmen"), über Erscheinungen ("Geister", "Gespenster") oder mit Hilfe von besonders begabten Vermittlern, sog. Medien (siehe Mediumismus)
. Seit den sechziger Jahren wird daneben verstärkt die Möglichkeit erwogen, daß "die Andere Welt" mit uns technisch gestützt kommunizieren kann: Sie sendet uns Mitteilungen, ja bietet uns sogar einen regelrechten Informationsaustausch mittels moderner Massenkommmunikationsmittel wie Rundfunkempfänger, Tonband- und Fernsehgeräte, Computer und Telefone an. (Siehe Instrumentelle Transkommunikation). Als Glaubensinhalt prägt der Spiritismus nahezu sämtliche Religionen dieser Erde, das Christentum nicht ausgenommen. (So beschwört im Alten Testament die Hexe von Endor den Geist Samuels, der daraufhin König Saul weissagt, 1. Sam. 28, 7 ff.) Eine beherrschende Rolle nimmt er im Schamanismus ein. (Siehe Das große Buch vom Geistigen Heilen, Abschnitt “Schamanismus – Die Weisheit der Ekstase”.) Die Zahl der gläubigen Spiritisten weltweit wird auf über hundert Millionen geschätzt. Allein in Großbritannien
bestehen knapp 1000 organisierte Glaubensgemeinschaften. Hier herrscht der angelsächsische Spiritualismus vor, im Unterschied zum romanischen Spiritismus, der meistens zusätzlich den Glauben an die Reinkarnation einschließt. Dieser geht zurück auf den französischen Arzt Hippolyte Rivail (1804-1869), der unter dem Pseudonym "Allan Kardec" ab 1859 mehrere Bücher veröffentlichte, die vor allem in Frankreich und Südamerika Millionen gläubiger Leser fanden; insbesondere in
Brasilien sind sie zu Bibeln einer regelrechten Volksreligion geworden. Sie sollen mediale Botschaften enthalten, die Kardec jahrelang aus der Geisterwelt erhalten haben will. Als Hypothese, die gewisse physikalische und psychologische Anomalien mitunter plausibler erklärt
als konkurrierende Ansätze der etablierten Natur- und Geisteswissenschaften, gewann der Spiritismus seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung, nachdem die empirische Parapsychologie entstanden war. Während in den Anfängen dieses Forschungszweigs spiritistische Annahmen zur Erklärung einer Vielzahl von Phänomenen häufig erwogen wurden, setzte sich seit den dreißiger Jahren immer stärker eine animistische Grundhaltung durch: Leistungen von Medien, Erscheinungen und
paraphysikalische Vorfälle wurden auf außersinnliche und psychokinetische Fähigkeiten von Lebenden zurückgeführt. Als Glaube ist der Spiritismus unwiderlegbar - als Theorie dagegen zumindest eine fruchtbare Arbeitshypothese. Lesetips C. J. Ducasse: A Critical Examination of the Belief in a Life After Death, Springfield, Ill. 1961. A. Kardec: Das Buch der Geister, Neudruck Freiburg 1964. |