Geistheilung im (Zerr-)Spiegel der Wissenschaft Flüchtiges
Psi
Wie alle paranormalen Leistungen, ja jegliches Psi-Phänomen überhaupt, so zeichnet sich auch Geistiges Heilen durch ein Merkmal aus, das Parapsychologen «flüchtig» (elusive) genannt haben: Sie treten weitgehend unregelmäßig auf, sind dadurch für Forscher kaum berechenbar. Wenn überhaupt, scheinen sie eigenen Gesetzmäßigkeiten zu
folgen, und auch das immer bloß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Innerhalb einer mehrteiligen Versuchsreihe treten sie häufiger zu Beginn und am Ende auf. Selbst bei den begabtesten Testpersonen fällt fast immer eine ausgeprägte Tendenz auf, die meisten «Treffer», also erfolgreiche Versuche, gleich im allerersten Anlauf zu erzielen und dann nochmals kurz vor Abschluss der Untersuchung. Außerdem zeigen sich Psi-Phänomene oft nur in der allerersten Untersuchung, während sie sich in
Wiederholungen abschwächen oder völlig verschwinden. (Parapsychologen sprechen von einem Decline-Effekt, von engl. decline: Niedergang.) Selbst Personen, die in einer Studie hervorragende Leistungen erbracht haben, können in einer zweiten völlig versagen - und dies scheinbar grundlos.
Durch dieses Merkmal gerät Geistiges Heilen in Konflikt mit einer Grundforderung erfahrungswissenschaftlichen Forschens: der Wiederholbarkeit von Experimenten. Diese Forderung folgt aus einem an
sich wünschenswerten Anliegen: Wer eine Behauptung aufstellt, muss durch andere kontrolliert werden können. Jeder, der über ein normales Wahrnehmungsvermögen verfügt, denken gelernt und eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung durchlaufen hat, soll die von einem Forscher gemachten Beobachtungen und daraus abgeleitete Theorien auf ihre Richtigkeit hin überprüfen können, indem er die gleichen Bedingungen herstellt, unter denen die ursprüngliche Beobachtung zustande kam. Doch dieses
Prinzip ist in erster Linie Naturwissenschaften entlehnt, deren Forschungsbereiche aus unbelebten Objekten bestehen: der Physik und Chemie. Hier hat es sich ausgezeichnet bewährt; denn in diesen Bereichen sind Ereignisse und Prozesse im Laboratorium beliebig wiederholbar. Aber es gibt keinen zwingenden Grund, dieses Prinzip auf andere Disziplinen zu übertragen: Psychologen, Soziologen und anderen Sozialwissenschaftlern fällt es schwer, ihm Genüge zu tun - nicht, weil sie
«unwissenschaftlicher» arbeiten, sondern aufgrund von Eigenarten ihrer Forschungsgegenstände, denen andere Zugangsweisen meist angemessener sind. Für die Psi-Forschung stellt sich die Frage, ob das Gebot der Wiederholbarkeit sinnvoll ist, erst recht.
Müssen wir wirklich verlangen, dass eine Person, die über besondere, «paranormale» Fähigkeiten verfügt - ein Geistheiler beispielsweise -, diese jederzeit erneut unter Beweis zu stellen hat? Oder zwingen wir ihre Untersuchung damit in ein
Prokrustesbett, in der irrigen Meinung, dass ein Forschungsprinzip, bloß weil es sich für bestimmte Wissenschaftszweige als fruchtbar erwiesen hat, unbedingt auf andere Zweige übertragen werden muss?
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