“Coaching for Health” - ein Projekt zur statistischen Erfolgskontrolle Geistigen Heilens und anderer Therapieformen (3)
“Alle Heilweisen fair vergleichen”
Der Gründer und Leiter des Projekts “Coaching
for Health”, Dr. med. Beat Schaub, im Interview mit Dr. Harald Wiesendanger Was gab Ihnen den Anstoß zu “Coaching for Health”? Dr. Schaub: Da kam dreierlei zusammen. Als Internist, Homöopath und Neuraltherapeut bekam ich schon in den achtziger Jahren immer tiefere Einblicke in Möglichkeiten und Grenzen nicht nur der Schulmedizin, sondern auch vieler komplementärer
Heilmethoden. Im selben Mass wuchs meine Neugierde, ein System zu finden, das einen fairen Vergleich aller Heilweisen ermöglicht. Einen zweiten Anstoss gab mir 2001 die Begegnung mit dem Geistheiler Horst Krohne, der meinen Sohn mit einer einzigen Sitzung von einer schweren Nahrungsmittelallergie befreite; seither ist er tageweise in meiner Praxis tätig. Hinzu kam eine neuartige medizinische Software, die ich im Laufe von drei Jahren selbst entwickelt habe, unterstützt von einem Informatiker.
Dieses Programm erlaubt zu allen wichtigen Details meiner Arztpraxis statistische Abfragen, die ich laufend in meine Überlegungen einbeziehen kann, wie meinen Patienten am besten zu
helfen ist. Aus alledem ergaben sich für mich allmählich die nötigen Informationen, Methoden, Fragen und Zielsetzungen, um mich auf die Herausforderung dieses Projekts einzulassen: Erstens die Resultate von Behandlungen zu erfassen und statistisch auszuwerten; zweitens die Datensammlung nicht auf meine eigene Praxis zu beschränken, sondern auf weitere Bereiche auszudehnen – und dazu Leute zu suchen, die mitmachen und ins Konzept passen. Sie ermitteln statistische “Erfolgsquoten” einzelner Heilmethoden bei
verschiedenen Krankheitsbildern. Ist das überhaupt sinnvoll? Entscheiden über die Wirksamkeit einer Therapie denn nicht auch Besonderheiten des Anwenders und des Behandelten – mindestens ebenso sehr wie die eingesetzte Methode? Dr. Schaub: Ich ermittle Erfolgsquoten genau so, wie es eigentlich überall gemacht wird. Denken Sie an Fussball: Auch da zählt letztlich nur der Erfolg,
egal mit welcher Taktik gespielt wurde – Hauptsache, es ging dabei fair zu, und niemand kam zu Schaden. Nur gibt es im Fussball feste Regeln, die in der Heilkunst weitgehend fehlen. Einerseits ist da der Therapeut mit seiner Ausstrahlung und Fähigkeit, andererseits der Patient mit seinen Erwartungen, Ängsten oder gesammelten Frustrationen. Je nach dem, was sie mitbringen, kann ihre Begegnung heilsam sein oder auch nicht. Spielt da der Mensch, der
Patient oder die Heilmethode die Hauptrolle? Coaching for Health richtet das Augenmerk auf statistische Wahrscheinlichkeiten. Vernachlässigen Sie dabei denn nicht die Einzigartigkeit der therapeutischen Beziehung, die Individualität der Beteiligten? Dr. Schaub: Nein, auch das will ich erforschen. Dazu habe ich in meiner Software psychologische Profile implementiert, die
persönlichkeitsspezifische Betrachtungen ermöglichen. Dabei lässt sich für jeden Heiler separat beurteilen, was er mit seiner Methode zustande bringt. Manchen mag dieser Ansatz unsympathisch sein, aber wissenschaftlich ist er ein Muss. Wenn chronische Krankheiten geheilt oder auch nur gelindert werden, hat selten eine einzige Heilmethode geholfen, sondern eine Vielzahl von Massnahmen, die günstig ineinandergegriffen haben. Verführt Ihr Ansatz
Hilfesuchende nicht dazu, monokausal zu hoffen – und auf eine Karte zu s etzen, die mit der höchsten “Erfolgsquote”? Dr. Schaub: Ganz im Gegenteil. In meiner achtjährigen Praxis sind viele Menschen dadurch geheilt worden, dass sich verschiedene Heilmethoden ergänzten – sei es, dass sie nacheinander oder parallel zur Anwendung kamen. Zum Beispiel? Dr. Schaub: ... eine Psychotherapie, die mittels eines
hochpotenzierten Homöopathikums "katalysiert" wird. Oder eine Kombination von Schulmedizin und Physiotherapie bei Bandscheibenschäden. Je mehr Erfahrungen gesammelt werden, desto besser werden sich die "Zuständigkeits- oder Ergänzungsbereiche" definieren lassen. Manche Krankheiten klingen unbehandelt ohne ersichtlichen Grund ab, manche hätten es auch ohne Therapie getan, manche tun es aufgrund von
Faktoren ausserhalb eines therapeutischen Settings - beispielsweise dank einer Ernährungsumstellung, mehr Sport oder sonstiger neuer Freizeitaktivitäten, eines einschneidenden Lebensereignisses usw. Verzerren solche Unwägbarkeiten nicht Ihre Statistik? Dr. Schaub: Ich denke schon. Alle erdenklichen Parameter in mein Datenbanksystem einfliessen zu lassen, erfordert allerdings viel Zeit – vom
Start weg ist eine solche Feinrasterung nicht zu leisten. Vorerst geht uns darum, den Patienten nicht mehr aus dem Bauch heraus Orientierung zu bieten, sondern aufgrund vorliegender Fakten. Mit der Dauer des Projekts und der Menge der erfassten Parameter werden unsere Auskünfte nach und nach immer umfangreicher und präziser ausfallen. Unter anderem klären Sie Patienten über Zuständigkeiten und
Erfolgsquoten “der” Psychotherapie auf. Tut da nicht Differenzierung not – ebenso wie bei Ihren Kategorien “Schulmedizin” und “Physiotherapie”? Wie kann man, sagen wir, klassische Psychoanalyse, Verhaltenstherapie und Familienstellen nach Hellinger über einen Kamm scheren? Dr. Schaub: Sie haben vollkommen recht. Selbstverständlich muss man die
Psychotherapie aufsplitten, wie auch alle anderen Heilmethoden. Sie können sich nicht vorstellen, wieviele Stunden ich mit Therapeuten derselben Heilmethode über die geeigneten Unterkategorien oder über Indikationsbereiche ihrer Tätigkeit diskutiert habe. Die Meinungen gehen teilweise derart auseinander, dass ich mich vorerst nur alle Hauptkategorien festgelegt habe: also Psychotherapie, Schulmedizin, Akupunktur, Homöopathie usw. Auch hier wird sich auf längere Sicht eine Feinrasterung
ergeben. Welchen Anreiz hat ein Therapeut überhaupt, Ihrem Netzwerk beizutreten – und fleissig Daten aus seiner Praxis zu liefern, deren Auswertung ihm womöglich ein Armutszeugnis ausstellt? Dr. Schaub: Dies ist von Therapeut zu Therapeut verschieden. Allen gemeinsam sollte die Neugierde sein, verbunden mit dem Wunsch nach
Synergien. Jedem Beteiligten muss klar sein, dass er der Gesundwerdung des kranken Menschen zu dienen hat – und das kann erfordern, ihn weiterzuleiten zu einer für diesen Patienten erfolgreicheren Heilmethode. Nur dann passt er in unser Projekt. Es ist wohl eine zu hohe Anforderung, frei von Neid zu sein gegenüber einer anderen Heilmethode oder einem anderen Therapeuten. Aber je kleiner der Neid, desto grösser die Neugierde und desto stärker das
Bedürfnis, dem Patienten wirklich zu helfen – und desto eher wird ein Therapeut den Ansprüchen von Coaching for Health gerecht. Der Anreiz zum Mitmachen besteht für einen Therapeuten also darin, dass er unter "seinesgleichen" wirken darf. Andererseits wird seine Neugierde gestillt, indem er laufend über die Resultate der Datenzusammenstellung
informiert wird. Und zu guter letzt profitiert er von unseren internen Weiterbildungen, die seinen Wissenshorizont laufend erweitern werden. Ein lukrativer Nutzen, den
Therapeuten aus einer Mitwirkung bei Coaching for Health ziehen, besteht darin, dass ihnen die Zentrale Patienten verschafft. Befürchten Sie nicht, dass Sie dadurch vor allem solche Therapeuten anlocken, deren Praxis bisher ziemlich leer sind, weshalb sie solche Vermittlungsdienste dringend nötig haben – was wiederum daran liegen könnte, dass sie minder befähigt sind? Gute Therapeuten sind ja allein schon infolge der Mundpropaganda zufriedener Patienten ausgebucht –
weitere Zuweisungen wollen und brauchen sie gar nicht, auch nicht von Ihnen. Dr. Schaub: Diese Gefahr besteht in der Tat. Ob jene Therapeuten, die eine leere Praxis haben, schlecht sind, wird sich zeigen. Coaching for Health registriert die Rückmeldungen der Therapeuten und auch der Patienten. Soweit möglich, wird ein Arzt den Befund zusätzlich dokumentieren. Sollte
sich herausstellen, dass ein Therapeut eine übertriebene Selbsteinschätzung hat oder laufend schlechte Behandlungsergebnisse liefert, wird er zu einem Einzelgespräch eingeladen. Bisher haben wir uns auf Therapeuten verlassen, die schon seit langer Zeit mit uns reibungslos zusammenarbeiten. Wir tauschen regelmässig Gedanken aus, und die Behandlungsergebnisse können sich sehen lassen. Also, um Ihnen
kurz und bündig zu antworten: Bisher haben wir nur gute Therapeuten. Sobald die systematische Datensammlung beginnt, werden neue hinzukommen. Ich bin gespannt, ob ich Ihre Frage irgendwann beantworten kann, welche Qualität unsere Therapeuten im Vergleich zu andern haben werden. Sie wollen ein “Netzwerk” von Therapeuten schaffen, die einander Patienten zuweisen – damit Kranke an den geraten, der eine bestimmte
Heilmethode in ihrem Fall besonders erfolgreich einsetzt. Im Ernst: Welcher Therapeut gibt denn freiwillig Klientel an einen Kollegen ab - zumal an einen, der ärgerlicherweise sein Handwerk laut CfH-Statistik besser versteht – und verzichtet damit auf Einkünfte? Dr. Schaub: Im Ernst: Sie haben vollkommen recht. Die Welt ist nun mal so. Aber wie schon gesagt: Wer bei uns mitmachen will, muss hohen
moralischen Ansprüchen genügen. Ich hoffe, es gelingt uns, weiterhin Mitarbeiter zu finden, die sich diesem Ethos verpflichtet fühlen. Wenn ein Arzt oder Therapeut aus finanziellen Gründen über Jahre einen Patienten mit Medikamenten behandelt, wohlwissend, dass dieser durch eine andere Heilmethode geheilt werden könnte, gehört er nicht in unseren Kreis. Oberste Richtschnur muss der Eid des Hippokrates sein, der besagt: “Ich
schwöre, für meine Patienten stets das beste zu tun.” Im Sinne von Coaching for Health müsste ergänzt werden: “... Und wenn es für den Patienten besser ist, zu einem anderen Heiler zu gehen, dann schicke ich ihn dorthin.” Wenn ein Patient mit einer fatalen Diagnose, wenig Zeit und voller Zweifel über die geeignete Therapie bei Ihnen anfragt: Wie rasch kann er mit einer
Auskunft rechnen? Dr. Schaub: Dies hängt natürlich stark davon ab, wieviele Anfragen eingehen. Im Anfangsstadium ist eine Internet-Beratung kaum denkbar, da zunächst ein Team von Spezialisten gebildet werden muss, um täglich eine Vielzahl von Anfragen zu beantworten. Fürs erste bieten wir nur persönliche Beratungen an, sei es telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch. Was kostet das einen Patienten?
Dr. Schaub: Der Tarif für eine telefonische Beratung liegt bei 3.50 sfr oder 1.80 Euro pro Minute. Perönliche Beratungen werden nach kantonalem Tarif abgerechnet mit circa 100 sfr pro halbe Stunde. Wie konkret sind Ihre Empfehlungen? Angenommen, ich rufe Sie heute verzweifelt an, berichte von einem inoperablen Plattenepithelkarzinom, Stadium III, im Oberlappen des rechten Lungenflügels, mit
Lymphknotenmetastasen. Für die Schulmedizin bin ich austherapiert. Wie kann ich mich nun noch behandeln lassen? Und von wem? Was sagt mir Coaching for Health nun? Dr. Schaub: In diesem Krankheitsstadium gibt es “offiziell” bestimmt keine Hoffnung mehr, und selbstverständlich würde auch Coaching for Health hier an Grenzen stossen Falls jemand Unterstützung für das Wohlbefinden sucht,
können verschiedene Methoden wie Fussreflexzonenmassage, Reiki, Bachblütentherape, Geistheilung, Homöopathie angeboten werden. Aber bitte: ohne Garantien. In Ihr Projekt beziehen Sie auch Geistiges Heilen ein – in den Augen der meisten Schulmediziner immer noch pure Scharlatanerie. Wie kommen Sie dazu? Dr. Schaub: Um auf den Anfang unseres Interviews zurückzukommen: Wenn
mir jemand sagt, dass er mit Autos fliegen kann, dann glaube ich es, sobald ich es gesehen habe. Und wenn ein Geistheiler meinen Sohn von seiner Nahrungsmittelallergie befreit - und dies innerhalb einer kurzen Sitzung, die schon fast ein Jahr zurückliegt -, dann will ich wissen, ob dies ein Einzelfall ist. Und wenn ich verschiedene weitere Patienten sehe, denen dasselbe widerfährt, dann werde ich nicht nur stutzig, sondern dann glaube ich auch, was ich sehe. So einfach ist das, nicht? | | Heilen “Heiler”? |