In Hintertupfingen soll ein Zwergwüchsiger beim Versuch, den Heiligenschein seines Heilers zu streicheln, von der Stehleiter geplumpst sein, wobei er sich den großen Zeh verstauchte. Kaum hatte ein Besprecher eine magische Formel gemurmelt, da fielen einem Ostfriesen angeblich nicht nur
sieben Warzen ab, sondern auch die letzten sieben Haupthaare. Ein Hinterammergauer klagt, seit ein Schamane ihm mit einem Ochsenschwanzfetisch eifrig vor der Nase herumwedelte, über einen kuhmistähnlichen Nachgeschmack beim Verzehr eines seiner Grundnahrungsmittel, der geliebten Ochsenschwanzsuppe aus der Aldi-Dose. Gravierendere Beschwerden über Risiken und Nebenwirkungen Geistigen Heilens können die "Ethik-Kommissionen", die vereinzelte Heilerverbände als Anlaufstelle für
unzufriedene Klienten eingerichtet haben, an den Fingern einer Hand abzählen. Spaß beiseite: Sind die Kommissionen mit Blindheit geschlagen? Kehren sie Trägödien zuhauf unter den Teppich? Verkennen sie eine monströse Dunkelziffer? Das lassen jedenfalls aufgeregte Stellungnahmen von ärztlichen Standesorganisationen, kirchlichen Sektenbeauftragten und entlarvungswütigen Journalisten befürchten, die unisono, mit erigiertem Zeigefinger, ein ominöses Gefahrenpotential Geistigen Heilens
anprangern, vor dem die "Volksgesundheit" bewahrt werden müsse.
Von Mücken und Elefanten - Über angebliche Risiken und Nebenwirkungen Geistigen Heilens
Nimmt man das Schreckensbild ernst, das die erbittertsten Kritiker an die Wand malen, so lauern hinter Geistigem Heilen immense Risiken: von finanzieller Ausbeutung über psychische Abhängigkeit bis hin zu bleibenden
gesundheitlichen Schäden, schlimmstenfalls sogar mit Todesfolge. Wer allerdings die vorgebrachten Fälle sorgsam prüft, die als "Beweis" dafür herhalten müssen, merkt rasch, dass dabei meist nicht nur Extremfälle von der Seltenheit einer Janosch´schen Tigerente verzerrt und aufgebauscht werden, sondern auch durchweg versäumt wird, Heilen und Heiler auseinanderzuhalten: die Methode und ihre Anwender.
Die Behandlung selbst ist in aller Regel frei von jeglichen schädlichen
Nebenwirkungen, insofern völlig gefahrlos. Dass Handauflegen und Fürbitte - urchristliche Formen der Krankenbetreuung, die über 95 Prozent aller Geistheiler im deutschsprachigen Raum praktizieren - irgendwelches Unheil anrichten könnten, ist eine unbelegte Unterstellung am Rande der Absurdität. Heiler spritzen nicht, verordnen keine Medikamente, dringen nicht mit Instrumenten unter die Haut, rühren den Körper meist nicht einmal an.
Trotzdem können Heiler, wie alle Therapeuten,
unbestreitbar ganz erheblichen Schaden anrichten, sofern sie es darauf anlegen: Je dominanter ihre Persönlichkeit ist, je verzweifelter ein Patient und je größer dessen Bereitschaft, sich nicht nur vorbehaltlos anzuvertrauen, sondern geradezu auszuliefern, desto größer wird die Gefahr, in psychische Abhängigkeiten zu geraten. Dadurch werden Kranke verführbar, unterlassen möglicherweise lebenswichtige ärztliche Behandlungen, lassen sich ausbeuten. Eine weitere Gefahr könnte in
Fehleinschätzungen der eigenen Lage bestehen, gefördert durch unbedachte Äußerungen des Heilers, vor allem in Form von "Psi-Diagnosen": scheinbar hellsichtigen Wahrnehmungen versteckter Krankheiten, von denen der Patient noch nichts wusste. Die meisten Heiler trauen sich eine außersinnliche Antenne dafür zu, was ihren Patienten fehlt; entsprechende Eindrücke
äußern sie teils schon vor Beginn der Behandlung, teils begleitend, teils bei der abschließenden Bewertung des vermeintlich erzielten Erfolgs. Jeder Irrtum kann dabei fatale Folgen haben: Ein gutgläubiger Klient, dem ein metastasierter Tumor angedichtet wird, kann dadurch in tiefe Verzweiflung gestürzt, äußerstenfalls sogar in den Selbstmord getrieben werden. Ein Krebskranker andererseits, dem nach ein paar Sitzungen weisgemacht wird, nun seien seine Geschwülste verschwunden, hält es
möglicherweise für überflüssig, sich ärztlich nachuntersuchen zu lassen; unterdessen wuchern die Tumoren weiter. Noch tückischer sind aber angeblich hellsichtige Einsichten in bedrohliche Leiden, die sich noch nicht "auf der physischen Ebene manifestiert" haben - weshalb sie mit medizinischer Diagnostik noch nicht feststellbar seien -, sich aber "auf der astralen Ebene", "im Energiekörper", “in der Aura” schon deutlich abzeichnen. So können
Hilfesuchenden quälende Ängste eingepflanzt werden, die kein Arztbesuch ausräumen kann - mit fatalen gesundheitlichen Folgen, selbst wenn der "siebte Sinn" des Heilers getrogen haben sollte. Wer eine Krankheit lange und panisch genug erwartet, vergrößert die Wahrscheinlichkeit, daß sie ihn irgendwann tatsächlich ereilt.
Ebenso verhängnisvoll wie falsche Diagnosen könnten sich auch unterlassene auswirken. Welcher Heiler darf sich schon anmaßen, alles und jegliches zu
"sehen", was seinen Patienten fehlt? Übersieht er ein erhebliches Leiden, so wiegt sich der Betroffene womöglich allzulange in trügerischer Sicherheit: ein oft nicht wieder wettzumachender Zeitverlust. |