In der Klinik für Magenkranke im Hamburger Stadtteil Altona,
Bahnhofstraße 28, quälen sich drei schwerstkranke Frauen, die der Leitende Arzt Dr. med. Hans Rehder als "unheilbar" einstufen muss. Zuvor hatte er ihnen drei Wochen lang vergeblich mit konventionellen Mitteln zu helfen versucht, wie etliche andere Schulmediziner vor ihm. Jede Patientin bewohnt ein Einzelzimmer, jede ist bettlägrig, miteinander haben sie keinerlei Kontakt.
Zu ihnen zählt die 61jährige Anna Hamann (Pseudonym), eine ehemalige Postbedienstete. Vier Jahre zuvor
hat sie einen gleichaltrigen, pensionierten Beamten geehelicht, der ihr nicht nur harte körperliche Arbeit zumutet, sondern auch jede Menge Ärger beschert. Seit zwei Jahren machen ihr ständige Gallensteinkoliken und eine chronisch entzündete Gallenblase zu schaffen. Unentwegt leidet sie unter Schmerzen, eine Operation scheint unabwendbar.
Nicht besser ergeht es der fünf Jahre älteren Margarete Dietz (Pseudonym). Die Friseursgattin wurde sieben Monate zuvor an einer vereiterten
Bauchspeicheldrüse operiert - erfolglos, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Seither ist sie beinahe zum Skelett abgemagert, gerade 34 Kilo wiegt sie noch. Tag und Nacht quälen sie unsägliche Bauchschmerzen. Ihr Darm ist "völlig verstopft", berichtet Dr. Rehder, "nur Klistiere fördern kümmerliche Entleerungen. Zeitweise ist der Bauch vom Gas wie eine Trommel aufgebläht, Darmsteifungen und Engegeräusche verraten die Behinderung der Darmbewegungen durch
Narbenverwachsungen." Anna Hamann ist verzweifelt, körperlich und seelisch ein Wrack.
Dritte im tragischen Bund ist die 58jährige Olga Schmidt (Pseudonym). Die Gattin eines Drehers leidet an weit fortgeschrittenem Gebärmutterkrebs, schon wuchern Metastasen auf ihrem Bauchfell. Operiert werden kann sie nicht mehr. Wenngleich schmerzfrei, ist sie inzwischen derart geschwächt, dass sie ihr Krankenbett nicht mehr verlassen kann. "Ihre Beine", protokolliert Rehder, sind
"infolge gewaltiger Stauungen von ‚Wasser' unförmig geschwollen, desgleichen der Bauch." Zudem ist Olga Schmidt blutarm geworden: Im Blutbild zeigt sich ein Absinken des Hämoglobin-Werts von 76 auf 62 Prozent, die Anzahl der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) ist von 3,5 auf 2,93 Millionen pro Kubikmillimeter Blut zurückgegangen. Ihre Blutsenkung ergibt 52/93. Bei Rehders Visiten "behauptet sie, es gehe ihr schon besser; mit einem tapferen Lächeln und Tränen in den Augen
scheint sie um meine Bestätigung zu flehen." Aber dem Arzt ist klar: "Ihre Krankheit schreitet unaufhaltsam fort, trotz aller unserer Bemühungen. Vierzehn Tage sehen wir diese Qual schon an."
Da wird der Arzt auf den “Wunderheiler” Kurt Trampler aufmerksam: immerhin ein promovierter Jurist, der weithin als legitimer Nachfolger Bruno Grönings gilt, Deutschlands umjubeltem Heilerstar der fünfziger Jahre. Kurz entschlossen besucht ihn Rehder im Münchner Vorort
Gräfelfing. Dort fühlt er sich "freundlich aufgenommen; Trampler erlaubte mir, seinen Heilsitzungen beizuwohnen, so oft ich wollte; er stellte mir Aufzeichnungen und Patientenbriefe zur Verfügung und diskutierte bis in die Nächte hinein mit mir über die Problematik seines Tuns". Ein "Heiler durch den Geist" sei er, macht Trampler dem Mediziner klar: "Die allgegenwärtige, allwissende, allmächtige, allgütige Kraft Gottes ist die planbeseelte Kraft, die Heilungen
bewirkt. Denn ein Dasein in Vollkommenheit, Harmonie und Gesundheit ist eine gottgewollte Gesetzmäßigkeit, der sich die Menschen durch den Missbrauch ihrer Willensfreiheit entziehen - deshalb erkranken sie." Daraus leitet Trampler seine göttliche Mission ab: "Sobald ich den Kranken gegenübertrete", erläutert er dem Arzt, "habe ich das Gefühl einer Kraft, die in mich einströmt, die mich durchfließt und zu den Kranken abströmt, und zwar umso stärker, je mehr Kraftanforderung
an mich ‚angeschaltet' wird. Die geistige Empfangsschaltung meiner Patienten an mich ist aber nicht immer an meine Gegenwart gebunden, sie kann in die Ferne gerade so stark wirken wie in meinem Behandlungszimmer."
Daraufhin erzählt Rehder dem Heiler von seinen drei hoffnungslosen Patientinnen. Sogleich schlägt Trampler vor, sie mit "Fernsendungen" von Gräfelfing nach Altona zu behandeln. Ohne Vorbehalte willigt der Arzt ein. Die "Sendungen" sollen an drei
aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden, jeweils von 9 bis 9.15 Uhr.
In die Hamburger Klinik zurückgekehrt, bewahrt Rehder "gegenüber jedermann völliges Schweigen über dieses Experiment". Auch die Kranken bleiben ahnungslos.
Noch am Abend des dritten und letzten Fernheiltags ruft Trampler an, um sich nach dem Befinden der Drei zu erkundigen. Doch Rehder kann nichts Bemerkenswertes berichten: "Leider war und blieb die ‚Sendung' sowohl in der Viertelstunde des
‚Empfanges' als auch in den acht Tagen danach ohne Erfolg". Aber Trampler bleibt hartnäckig. Drei weitere "Fernheilungen" werden vereinbart, wiederum an aufeinanderfolgenden Tagen - jedoch "auch diesmal ohne erkennbare Wirkung", wie Rehder hinterher konstatieren muss.
Nun entschließt sich der Arzt, "angesichts des bejammernswerten Dahinsiechens der drei Kranken", zu einem "Gegenexperiment". Eines Abends erzählt er jeder von ihnen
einzeln, was er von der "Heilung durch den Geist", vom Fernbehandeln und Heilempfang erfahren habe. Er schildert ihnen die Wunderheilungen von Lourdes und anderen Wallfahrtsorten. Schließlich drückt er jeder Patientin ein Exemplar von Tramplers Schrift Heilung durch den Geist in die Hand, mit wärmster Leseempfehlung. "So bereitete ich die Seelen auf eine ‚Wunderheilung' vor."
Derart eingestimmt, erwarten die Drei nun sehnlichst, an drei bestimmten Tagen, jeweils
frühmorgens zwischen 8 und 8.15 Uhr, die "Fernsendung" des Geistheilers. Tatsächlich ist dies aber eine Tageszeit, zu der Trampler nie fernzubehandeln pflegt, wie Rehder weiß; auch hat er gegenüber dem Heiler kein Wort davon erwähnt, was er nun vorhat. "Die Scheinsendung war ja gerade meine Absicht", stellt Rehder klar: "Die Patientinnen sollten nur glauben, sie empfingen eine ‚Sendung', die aber tatsächlich nicht erfolgte." |