Im Rahmen von spiritistischen Sitzungen, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode kamen, sind aus dem Mund von Medien seit eh und je
gelegentlich auch medizinische Ratschläge zu vernehmen - sei es an Anwesende oder an deren Verwandte, Freunde und Bekannte. In einem medialen Kreis in Ravensburg etwa, dem seit Mitte der siebziger Jahre der deutsche Physiker und Parapsychologe Prof. Dr. Werner Schiebeler (1923-2006) angehörte, soll sich gelegentlich ein Totengeist aus dem 17. Jahrhundert einfinden - er stellt sich als «Alberto Petranius» vor -, um versteckte Krankheitsherde aufzuspüren und Heilbehandlungen durchzuführen. Dazu
bedient er sich eines Mediums in Halbtrance. («Ich kann allein, ohne dieses Medium, die Kräfte nicht weitergeben», beantwortete «Petranius» im August 1987 die Frage nach den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung. Doch ebensowenig «bin ich fähig, diese Kräfte selbst zu erzeugen, sondern ich kann sie nur weitergeben ... Ich empfange viele feine Strahlen, die aus allen Richtungen kommen. Sie dringen bei mir ein. Ich kann sie selber spüren und durch die Hände des Mediums weiterleiten
... Ich weiß nur, dass sie von guten Geistern ... aus höheren Bereichen ... ausgehen, die ich aber nicht sehe.»)
Wie segensreich solche Jenseitigen bisweilen wirken, belegen verblüffende Krankengeschichten aus aller Welt. So will die 42jährige Engländerin June Maycock, Mutter dreier Kinder aus Radcliffe, es der rechtzeitigen Warnung eines «Geists» verdanken, dass sie überhaupt noch sehen kann. «Mit meinen Augen hatte ich nie Schwierigkeiten, eine Brille brauchte ich zu keiner Zeit»,
erzählt sie. So schüttelte sie 1989 anfangs ungläubig den Kopf, als ihr ihre Tochter Joanne, 22, von einer unmissverständlichen Botschaft im Verlauf einer Geisterbeschwörung berichtete: «Dune wird erblinden, wenn sie nicht sofort operiert wird!» «Eher aus Neugier» suchte June schließlich doch ihren Augenarzt auf, der schwer geschädigte Netzhäute feststellte und sie unverzüglich an das Bury General Hospital überwies. Dr. Simon Kay: «Ohne einen raschen chirurgischen Eingriff hätte Frau Maycock
mit Sicherheit ihr Augenlicht verloren.»
Ein amerikanischer Junge, von Geburt an hirngeschädigt und dadurch körperlich wie geistig schwer behindert, hat binnen weniger Monate dramatische Fortschritte gemacht - seit ein «Geist» durch ein Medium ankündigte, sich des Kleinen anzunehmen. Als Chuck 1981 in New York zur Welt kam, unterlief dem entbindenden Arzt beim Kaiserschnitt ein verhängnisvoller Fehler: Für Sekunden klemmte er die Nabelschnur ab, unterband dadurch die Sauerstoffzufuhr
zu Chucks Gehirn. Seither war der Kleine schwer behindert: Noch als Siebenjähriger brachte er allenfalls unartikulierte Laute und einzelne Wörter heraus; Auffassungsvermögen, soziales Verhalten, Bewegungskoordination lagen weit unter dem Altersdurchschnitt. Mehrere Ärzte und Psychiater bezeichneten seinen Fall übereinstimmend als hoffnungslos.
Im März 1987 reiste Chucks Großtante Joyce Elkin - eine Krankenschwester, die seit dreißig Jahren in Kalifornien lebt - zu Freunden nach
Australien. Bei dieser Gelegenheit besuchte sie das landesweit bekannte Medium Bill Rowan. Während der Sitzung kam Rowan, der sich von einem jenseitigen Geistführer namens «Grant» geleitet fühlt, plötzlich auf einen siebenjährigen Jungen zu sprechen, der als «zurückgeblieben» gelte. In allen Einzelheiten schilderte Rowan das Missgeschick bei Chucks Geburt, das weitere Schicksal und die gegenwärtigen Lebensumstände des Kleinen. Joyce Elkin war sprachlos: Damit konnte nur ihr Neffe gemeint
sein. «Die Diagnose der Ärzte ist falsch», sprach es aus Rowan heraus: «Der Junge kann geheilt werden - durch Eingriffe aus der geistigen Welt. Ich werde mich seiner annehmen. Bis er zwölf Jahre alt ist, wird er als völlig normal gelten.»
Als die Großtante sieben Monate später, im Oktober 1987, Chucks Eltern besuchte, «bemerkte ich, wie sich der Zustand des Kleinen zu bessern begann, zuerst beim Sprechen, dann im ganzen Verhalten. Er konnte bereits ganze Sätze bilden.» Seit April 1988
hat sich Chucks Heilungsprozess dramatisch beschleunigt: «Blickkontakt, Auffassungsgabe und Denkvermögen sind schon hundertprozentig normal», berichtet Joyce Elkin. «Inzwischen ist Chuck ein glücklicher Junge, der mit anderen Kindern spielen und bei allen Unternehmungen der Familie mitmachen kann.»
Ein besonders prominenter «Arzt aus dem Jenseits» scheint sich einen österreichischen Kanal auserkoren zu haben: der große Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung (1875-1961). Seit neun
Jahren soll er aus der Sensitiven Mirabelle Coudris heraussprechen, einer gebürtigen Wiener Neustädterin, Jahrgang 1957, die zeitweilig in Seewalchen am Attersee ein spirituelles «Beratungs- und Forschungsinstitut» führte, gemeinsam mit ihrem sieben Jahre älteren Ehemann Rene. Eingehend erläutert Mirabelles Mentor von drüben seine Grundgedanken, nimmt Stellung zu Themen wie den Grenzen der Psychoanalyse, dem schöpferischen Potential im Menschen, Traumdeutungen oder unterschwelligen
Wahrnehmungen. «C. G. Jung» kennt sich aus in Atemtechniken, in Psychophysik, in Ganzheitsmedizin. Er philosophiert über größten Schmerz als Glück, über Wege zur Selbstverwirklichung und Erleuchtung, über Weihnachten («Was die Heilige Familie wirklich bedeutet»), die Hintergründe von Aids oder die Bedeutung von Biorhythmen. Patienten, die ihn konsultieren, berät er aus Mirabelles Mund. Allein bis Sommer 1990 soll er das junge Medium rund Zoomal zu seinem Sprachrohr gemacht haben. Schon damals
füllten seine Durchgaben über tausend Druckseiten, die seit 1988 in jährlichen Abständen als Bücher erscheinen. (In meinem Buch Die Jagd nach Psi habe ich Coudris' umstrittenem «Trance-Dialog mit ‚C. G. Jung’» ein ganzes Kapitel gewidmet.)
Will Sigmund Freud auf dem spiritistischen Therapiemarkt ein Gegengewicht zu seinem abtrünnigen Schüler C. G. Jung schaffen? Seit kurzem jedenfalls soll der Vater der Psychoanalyse und Wegbereiter der modernen Psychiatrie, der vor 55 Jahren starb, «in ständiger Verbindung» mit dem britischen Medium Ray Gordon aus Worthing stehen. Inzwischen hat Gordon, ein psychologischer Laie, eine vielbeachtete Beratungspraxis eröffnet, in der er «vor allem Menschen mit sexuellen Problemen» zu helfen versucht - mit klassischen psychoanalytischen Mitteln, die ihm «Freud aus dem Jenseits durchgibt». Im britischen Monatsmagazin Sussex Life enthüllte Gordon, wie er zu seinem körperlosen Führer gefunden hat: «Unlängst suchte mich eine junge Frau auf, die an Panikattacken litt. Plötzlich hörte ich eine männliche Stimme sagen: <Ihre Probleme rühren daher, dass sie orgasmusunfähig ist.> Durch behutsames Nachfragen fand ich daraufhin heraus, dass dies tatsächlich die Ursache war.» Kaum hatte sich die Frau erleichtert verabschiedet, da habe sich die Stimme von drüben zu erkennen gegeben: «Ich bin Sigmund Freud.»
Im deutschsprachigen Raum bekannter sind die literarischen Hinterlassenschaften des 1988 verstorbenen Mediums Grete Schröder. Bei ihr soll sich, wenige Monate nach seinem Tod am 18. April 1965, der österreichische Neurologe, Psychologe und Wiener Universitätsdozent Dr. Karl Nowotny gemeldet haben, um durch sie seine Vortragstätigkeit körperlos fortzusetzen. Aus dieser vierzehnjährigen Verbindung gingen mehrere tausend Buchseiten hervor, die bis Mitte 1992 bereits in sechs Bänden erschienen sind. Eine rührige «Dr. Karl Nowotny Foundation e. V.», 1985 gegründet, verwaltet von Bad Reichenhall aus den voluminösen Nachlass.
Während Coudris' «Jung» und Schröders «Nowotny» mit Vorliebe theoretisieren, greift Gordons «Freud» eher praxisbezogen ins Diesseits ein - ebenso wie der «Transpartner», der sich gelegentlich der Sprechorgane von Aulikki Plaami bemächtigt. In ihrer Wahlheimat Heisdorf in Luxemburg lässt die Finnin in Trance gelegentlich einen gewissen «Dr. Hermann» Sprechstunde abhalten, eines von über vierzig Geistwesen, die seit Anfang der achtziger Jahre angeblich durch sie wirken. Dabei verordnete der «Arzt aus dem Jenseits» einer Journalistin mit Herzschwäche «jeweils fünf Rosinen morgens und abends» - mit ungewissem Erfolg. Gegen einen Hautausschlag, der das Gesicht eines Mädchens entstellte und von Dermatologen vergebens mit cortisonhaltigen Salben behandelt worden war, empfahl «Dr. Hermann», «morgens und abends Kornpressen mit geraspelten Weißkohlblättern und Johannisöl oder mit Milch getränkte Kartoffeln aufzulegen», außerdem homöopathische Tropfen und eine spezielle Diät. Daraufhin soll die Haut wieder rein und glatt geworden sein. Von Frau Plaamis Geistführer angetan ist Paul Schneider, Ex-Präsident des «Schweizerischen Verbands für Natürliches Heilen» (SVNH), der ihm auf Vereinsveranstaltungen jahrelang Auftritte verschaffte: «Auf mich macht Dr. Hermann den Eindruck eines gütigen, erfahrenen Hausarztes alter Schule, der hauptsächlich mit Chiropraktik und Homöopathie arbeitet. »
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