«Ein Arzt, der einen seelischen Einfluss auf einen anderen Menschen auszuüben versteht, kann dessen Krankheiten von jeder beliebigen Entfernung aus heilen»,
versicherte der magische Arzt Maxwell Mitte des 17. Jahrhunderts. Schulmedizinern von heute scheint diese Vorstellung absurd; in der esoterischen Therapieszene hingegen hatte sie kaum je größeren Kredit. Oft Hunderte von Kilometern entfernt, konzentrieren sich Heiler auf Kranke - und übertragen anscheinend Energien, die manchmal sogar langjährige chronische Erkrankungen verschwinden lassen. Jeder fünfte Westdeutsche glaubt: Solche «Fernbehandlungen» wirken.
Wenn «Unmögliches» geschieht - Geistheilung auf Distanz
Im November 1991 wird Heinrich Z., 62, aus dem Mannheimer Diakonissenkrankenhaus zum Sterben nach Hause geschickt: mit Prostatakrebs im Endstadium, Metastasen von Kopf bis Fuß. «Ihm bleiben höchstens noch ein paar Tage», muss sein Sohn
Frank hören. Doch bis Anfang Februar 1992 leidet sein Vater qualvoll weiter, schreit und weint täglich stundenlang vor Schmerz. Verzweifelt wendet sich Frank an die Geistheilerin Helga A. «Ich schicke Ihnen einen Heilstrahl durchs Telefon», verspricht sie. «Legen Sie Ihre Hand dann auf den Unterleib Ihres Vaters. Das wird helfen.» Im nächsten Augenblick beginnt Franks rechte Hand «höllisch zu brennen, so als hätte ich ein heißes Bügeleisen angefasst». Fassungslos befolgt er die Anweisung. Und
das Unglaubliche geschieht: Nach fünf Minuten ist der Krebskranke schmerzfrei. Vierzehn Tage später traut der Hausarzt seinen Augen nicht: Blut- und Urinproben von Heinrich Z. zeigen keinerlei tumorverdächtige Werte mehr.
Abertausende von «fernbehandelten» Patienten beschwören ähnlich unfassbare Genesungen. Oft kannte ihr Heiler sie nicht einmal, besaß höchstens ihren Namen und ihre Adresse, dazu ein Foto oder irgendeinen persönlichen Gegenstand aus ihrem Besitz. Trotzdem konnte er
ihnen anscheinend eine Energie übertragen, die manchmal stärker und schneller wirkt als alle Spritzen, Salben und Tabletten. «Ohne Brille sah ich nur eine milchig-weiße Suppe», erzählt Sandra B. aus Bielefeld. Von Geburt an erreichte ihr rechtes Auge nur 30 Prozent der normalen Sehkraft. Mit dreizehn ließ sie sich von Rolf D. - über eine Distanz von rund fünfzig Kilometern hinweg. Spätabends, kurz bevor sie zu Bett ging, rief sie ihn an. Anschließend konzentrierten sich die beiden
aufeinander. «Erst kribbelte es in den Augen», erzählt Sandra. «Dann wurde es heller, ich konnte Farben erkennen. » Heute kommt sie mit schwachen Kontaktlinsen aus. Denn ihre Sehkraft hat sich auf 80 Prozent verbessert.
Sandras «Augenkribbeln» lässt sich schwerlich als purer Zufall abtun, wie eine vorbildliche empirische Studie des britischen Heilers Gordon Turner ahnen lässt. Turner, langjähriger Präsident des größten britischen Heilerverbands «National Federation of Spiritual
Healing» (NFSH), hatte ein Hochschulstudium absolviert, um «die Warums und Wozus Geistigen Heilens wissenschaftlich ergründen zu lernen». Seinen Untersuchungen zufolge löst ungefähr jede dritte Fernbehandlung zeitgleich eigenartige seelisch-geistige Veränderungen im Patienten aus. Etwa jeder achte spürt währenddessen eine sonderbare Wärme. Jedem zwanzigsten wird seltsam kalt. Knapp jeder zehnte fühlt sich buchstäblich «berührt». Jeden zwanzigsten überkommt unvermittelt ein Gefühl, als stehe
er «unter Strom»: Es kribbelt auf der Haut und in den Fingern, etwas «fließt» durch den Körper, etwas «elektrisiert» ihn wie ein leichter Schlag aus der Steckdose. Häufig werden auch merkwürdige Farbeindrücke geschildert, vor allem von Blau oder Violett. Manche wollen geisterhafte Erscheinungen wahrgenommen haben. Die meisten, so stellte Turner fest, «spüren» Beginn und Dauer einer Fernbehandlung auch zu Zeitpunkten, in denen sie gar nicht damit rechneten. (Turner fand solche Schilderungen
bei 106 von 197 befragten Fernbehandelten und bei 442 von 1379 Heilversuchen auf Distanz.)
Lassen sich solche Eindrücke allein durch eine autosuggestive Beeinflussung erklären, der Patienten erliegen, nachdem sie den Zeitpunkt kennen, zu dem der Heiler mit der Behandlung beginnt? Entspringt das Gefühl eines «übersinnlichen» Kontaktes bloß einer trügerischen Erwartung, die sich selbst erfüllt? Oder tritt die Koinzidenz einfach zufällig auf? Wie zurückhaltend man mit solchen Mutmaßungen umgehen muss, machte die amerikanische Psychologin Joyce Goodrich 1974 in einem einfallsreichen Experiment deutlich. Für ihre Doktorarbeit ließ sie zwölf Versuchspersonen mit körperlichen Leiden von sechs Geistheilern betreuen. Jeder Kranke wurde insgesamt zehnmal behandelt, davon achtmal auf Distanz. In der Regel hielten sich die Patienten währenddessen in ihrer eigenen Wohnung auf. Beide, Heiler ebenso wie Behandelte, erhielten einen Zeitplan ausgehändigt, der auf Tag und Minute genau festlegte, wann eine Behandlung stattfinden sollte. Dabei wurden alle Beteiligten im festen Glauben gelassen, diese Zeitpläne seien identisch. Doch insgeheim hatte Goodrich Asynchronizitäten eingebaut: Die Hälfte der Fernbehandlungen fand in Wahrheit eine Stunde später statt, als die Patienten erwarteten. Jeder beteiligte Heiler, und ebenso jeder Patient, sollte schriftlich festhalten, was während der Behandlungen in ihm vorging. Diese Protokolle wurden anschließend drei unabhängigen Gutachtern vorgelegt; allein anhand dieser Aufzeichnungen sollten sie für jedes Paar entscheiden, ob die berichteten Gefühle, Empfindungen und Vorstellungen des Heilers und seines jeweiligen Patienten zeitgleich oder asynchron aufgetreten waren. Bloßer Zufall hätte erlaubt, dass die Gutachter nur zu 50 Prozent richtig lagen. Doch in vier Fällen erzielten sie Trefferquoten von 70 bis 87 Prozent: ein beachtlicher Hinweis darauf, dass Fernheilungen häufig paranormale Anteile aufweisen.
Vereinzelt haben selbst Ärzte schon die Macht der Fernheilung kennengelernt, sobald sie sich zutrauten, damit zu arbeiten. So bezeugt der (inzwischen verstorbene) Berliner Kinderarzt und Geistheiler Eli L. einen Fall aus Israel, der ins Jahr 1985 zurückreicht. Er betrifft Ismail, einen damals 19jährigen Israeli, der mit anhaltenden, unerträglichen Kopfschmerzen und schweren motorischen Störungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Als in seinem Gehirn ein Tumor festgestellt wurde, erschrak selbst die Röntgenärztin: Die Geschwulst hatte bereits die Größe einer Mandarine erreicht. Schon am nächsten Tag sollte der junge Mann operiert werden. Doch der Eingriff war riskant: Bleibende Lähmungen, Sprachstörungen und Persönlichkeitsveränderungen drohten.
«Können Sie helfen?» fragte ein Freund Ismails den Arzt aus Deutschland, einen gebürtigen Hamburger, der mit seinen jüdischen Eltern zeitweilig nach Israel emigriert war und dort seit dreizehn Jahren als Leitender Direktor des Gesundheitswesens im Sinai und im Gaza-Streifen arbeitete. (Als Kinderarzt war L. zuvor an mehreren Krankenhäusern Israels tätig gewesen; acht Jahre lang war er Oberarzt an der Universitätsklinik von Ashkelon.) L. war kein Gehirnspezialist. Aber die Möglichkeit geistiger Fernheilung wollte er nicht von vornherein ausschließen. Fünf Kilometer entfernt, konzentrierte er sich auf Ismail, der im Koma lag. «Plötzlich hatte ich das Gefühl, als ob aus meinen Augen ein strahlend weißes Licht austritt, wie ein Lasermesser», erinnert sich Lasch. «Damit schnitt ich dem jungen Mann die Geschwulst aus dem Kopf. Am Ende ‚sah’ ich, wie nur noch ein kleiner Rest zurückblieb, so groß wie ein Olivenkern.» Als Chirurgen anderntags Ismails Schädel öffneten, waren sie sprachlos: Der Hirntumor war geschrumpft - auf die Größe eines Olivenkerns.
Kritiker bemängeln, dass Fernheilungen nie gründlich überprüft werden; Selbsttäuschungen, Übertreibungen, Lügen seien daher unmöglich auszuschließen. Doch dies widerlegte die ZDF-Gesundheitsredaktion 1985 mit einem berühmten Fernsehexperiment - an vier deutschen Patienten mit langjährigen Leiden, bei denen ärztliche Kunst versagt hatte. Von ihnen erhielt der Schweizer Heiler Freddy W., damals 39, Ende April 1985 nichts weiter als ein Porträtfoto mit Namen, Geburtsdatum und einer kurzen Krankheitsbeschreibung. Zweimal täglich sollte er sie nun «fernbehandeln», drei Monate lang - von seinem Wohnort Lungern im Kanton Obwalden aus, rund 500 Kilometer entfernt. Nach acht und nochmals nach zwölf Wochen filmte das ZDF-Team, was dabei herauskam - und hakte im August 1986 bei den Fernbehandelten erneut nach. Das unerwartete Ergebnis: Drei von vier Patienten fanden Hilfe, entgegen ärztlichen Prognosen.
• Ursula Rogowski - sie war 64, als das Experiment begann - hatte im Juli 1984 einen Schlaganfall erlitten. Ihr linker Arm, ihr linkes Bein waren seither gelähmt gewesen. Nun war sie «dauerhaft geheilt», wie die ZDF-Redaktion fand. • Die Schülerin Heike Halena, 10, hatte acht Jahre lang an chronischem Hautausschlag gelitten. ZDF-Redaktionsleiter Karl Schnelting: «Inzwischen aber ist die Haut völlig rein, der Juckreiz verschwunden.“ • Helene Wagner, 78, hatte seit vierzig Jahren ein offenes Bein gequält, das heftig schmerzte. Nun blutete die Wunde endlich nicht mehr. Langsam, aber stetig heilte sie zu. Im selben Monat, als der Geistheiler W. sich ihrer von fern anzunehmen begann, verschwanden die jahrzehntelangen Schmerzen. Nur bei Herbert Koch, 59, besserte sich nichts: Die spastische Lähmung von Armen und Beinen, die zehn Jahre zuvor eingesetzt hatte, schritt ungebremst fort.
Gewöhnlich wissen die Kranken gewöhnlich, dass sie fernbehandelt werden - so auch im ZDF-Test. Könnte es da nicht eher ihr fester Glaube an Heilung sein, der sie gesund macht, als eine «übernatürliche» Energieübertragung?
Säuglinge und Kleinkinder sprechen auf Suggestionen, wenn überhaupt, mit Sicherheit weitaus weniger an als Erwachsene - doch auch ihnen haben Fernheiler allem Anschein nach schon helfen können. Ein sechs Monate altes Baby aus Karlsruhe, das an Pseudo-Krupp litt und deshalb ständig Cortison schlucken musste, wurde völlig beschwerdefrei, nachdem sich die Schweizer Heilerin Mina B. vom fernen Wettingen im Kanton Aargau aus eines Nachts auf ein Foto des Kleinen konzentriert hatte. Allein per Fernbehandlung konnte Irmgard C. aus Neckargemünd einem zweijährigen Jungen helfen, der an Mundfäule litt. Nach einem telefonischen Hilferuf der Mutter «habe ich den Astralkörper des Kindes zu mir geholt», erklärt die Heilerin, «und ihn behandelt, indem ich mir vorstellte, ich trüge das Kind auf den Armen. Nach etwa drei Wochen kam die Mutter voller Dankbarkeit zu mir. Die Mundfäule war seit jenem Telefongespräch allmählich abgeklungen und schließlich verschwunden.» Kaum fassbar ist die Genesung eines dreijährigen Jungen, der an Leukämie erkrankt war. Nach einem plötzlichen Fieberschub auf 41 Grad «rief mich die Mutter aufgeregt an und meinte, dass ihr Kind diese Krise nicht überstehen werde. Ich sagte der Mutter nur, dass ich ihren Kleinen gleich fernbehandeln werde. Am nächsten Tag sagte mir die Mutter, dass der Junge ruhig eingeschlafen sei, als ich den Hörer aufgelegt hatte. Das Kind schlief etwa zwei Stunden, wurde dann wach, und das Fieber war weg. Das wiederholte sich ein paarmal, und die Mutter hatte jedesmal Todesangst um ihr Kind. Ich habe immer gesagt: ‚Sie brauchen keine Angst zu haben, der liebe Gott schickt das Fieber. Nach dem Fieber wird das Kind gesund.’ So geschah es: Nach drei Tagen war der Junge geheilt.» Eine ärztliche Nachuntersuchung soll keinerlei Anzeichen für Leukämie mehr ergeben haben.
Im übrigen wissen auch Erwachsene nicht immer, dass sie «fernbehandelt» werden. Und dennoch erholen sie sich oft selbst von schweren Krankheiten, sobald sich, weit weg, ein Heiler mit ihnen zu befassen beginnt. Gesundbeter aus dem Kreis von Mary Baker-Eddys Glaubensgemeinschaft «Christian Science» berichten seit über einem Jahrhundert immer wieder, und manchmal glaubhaft, von solchen Fällen; ihr Presseorgan, der Christian Science Monitor, ist voll davon.`
Als ich 1993 mehreren hundert Geistheilern einen Fragebogen zuleitete, ließen mir Dutzende von ihnen entsprechende Berichte zukommen, die einer
unvoreingenommenen Überprüfung wert wären. So lag, nach akutem Nierenversagen, ein 52jähriger Lehrer aus Villingen 1992 in einer Freiburger Klinik drei Monate lang im Koma. Währenddessen versuchte die Lindauer Heilerin Hildegard S. eine Fernbehandlung - und drei Tage später kam der Mann wieder zu Bewusstsein. Nach vierzehn Tagen konnte er aus dem Krankenhaus entlassen werden. «Die Ärzte konnten es nicht begreifen», so die Heilerin.
Die Londonerin Anne Jenkins (Pseudonym), die an
schwerer Kinderlähmung litt, musste am 16. August 1959 notoperiert werden: weil die Kehlkopfmuskeln gelähmt waren, wurde ein Luftröhrenschnitt durchgeführt. Zwei Tage später setzten auch die Lungen aus, Anne musste künstlich beatmet werden. Nun griff die Lähmung, die bereits Nacken, Gehirn und die obere Körperhälfte befallen hatte, auch noch auf das Herz über. «Die nächsten drei Stunden wird Anne nicht überleben», meinten die Ärzte. Da schalteten die verzweifelten Angehörigen den hochgelobten
britischen Geistheiler Harry Edwards (1893-1976) ein. (Nach Angaben des englischen Arztes Dr. Louis Rose behandelte Edwards innerhalb von sieben Jahren zwei Millionen Menschen auf Distanz.) Sofort begann er Anne «fernzuheilen». Und sie überlebte: die nächste Nacht, die nächste Woche. Am 26. August setzte ihre Atmung wieder ein. Am 9. September kam ihre Stimme zurück. Am 20. September hob sie erstmals den Kopf vom Kissen. Am 23. September konnte sie wieder schlucken. Am 6. Oktober richtete sie
sich allein im Bett auf. Am 3. November ging sie ohne fremde Hilfe im Zimmer auf und ab. Am 26. November wurde Anne Jenkins aus dem Krankenhaus entlassen - und ein Jahr später verriet nichts mehr, dass sie je an Kinderlähmung gelitten hatte.
Hat Edwards geschönt? Erfuhr Anne womöglich doch, dass sich kein Geringerer als Englands berühmtester Wunderheiler jener Zeit sich mit ihr befasste - und im Bewusstsein, im Bund mit seiner «übernatürlichen» Kraft zu sein, wurden ganz natürliche Selbstheilungskräfte in ihr wach? Im nachhinein lässt sich ihr Fall kaum noch überprüfen, wie meist bei anekdotischen Erfolgsmeldungen. Was Skeptiker vermissen, sind streng kontrollierte Blindversuche: wissenschaftliche Tests und Experimente, bei denen sichergestellt ist, dass die Fernbehandelten nicht wissen, ob und wann sich ein Geistheiler auf Distanz um sie kümmert. Im Idealfall wären solche Untersuchungen «doppelblind» angelegt: Auch die Versuchsleiter, ebenso wie die den Krankheitsverlauf begutachtenden Ärzte, müssten im ungewissen gehalten werden, welche Patienten aus einer größeren Stichprobe fernbehandelt werden und welche nicht.
Doch solche Versuche haben längst stattgefunden - zum Teil mit verblüffendem Ausgang. Näheres s. hier.
Quellenangaben und weitere Literaturhinweise in Geistiges Heilen - Das Große Buch. Dem Phänomen Geistheilung auf Distanz widme ich die Trilogie Fernheilen.
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