Auch Pflanzen sprechen auf Fernbehandlungen messbar an, wie ein bemerkenswertes Experiment mit Olga Worrall zeigt. Der in Cleveland, Ohio, geborenen Heilerin, die als tiefgläubige Methodistin seit 1950 in Baltimore allwöchentlich Genesungsgottesdienste abhielt und dort eine spirituelle «New Life Clinic» leitete, lag viel daran, wissenschaftlich überprüfbare Ergebnisse zu erzielen. Im Jahre 1972 stellten sie und ihr Mann Ambrose sich dem amerikanischen Biochemiker Dr.
Robert Miller für einen Test zur «Fernheilung» zur Verfügung: Wachsen Pflanzen schneller, wenn die Worralls für sie beten? Um das herauszufinden, säte Miller zunächst, in seinem Labor in Atlanta, gewöhnliche Grassamen in nährstoffreicher Humuserde aus und sorgte für konstante Beleuchtung, Temperatur und Wässerung. Wie er mit einer äußerst empfindlichen elektronischen Ausrüstung messen könnte, wuchs das Gras in den darauffolgenden Tagen um durchschnittlich 0,01524 Zentimeter pro Stunde; der
Höchstwert lag bei 0,254 Zentimetern pro Stunde. Dann rief Miller die Worralls im 965 Kilometer entfernten Baltimore an und bat sie, zu einem genau festgelegten Zeitpunkt, morgens um neun Uhr, die Samen geistig "fernzubehandeln". Dazu stellten sie sich eine Stunde lang vor, wie sie die Samen in ihren Händen hielten und sie "in einem weißen Licht" wachsen sahen; anschließend, ab zehn Uhr, beteten sie für die Pflanzen.
Unmittelbar vor Beginn des Versuchs, um 9 Uhr,
hatte Miller noch eine Wachstumsrate von 0,0015875 Zentimetern pro Stunde gemessen. Doch dann setzte ein geradezu phänomenaler Wachstumsschub ein: "Exakt um 9 Uhr", berichtet Miller, "begann die Kurve nach oben auszubrechen. Bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr wuchs das Gras mit einer Rate von 1,3335 Zentimetern pro Stunde. Das entspricht einem Zuwachs von 840 Prozent. (...) Die Messungen wurden weitere 48 Stunden fortgesetzt. In diesem Zeitraum sank die Wachstumsrate allmählich
ab, fiel aber nicht mehr auf den Ausgangswert." Noch imposanter wären diese Ergebnisse, wenn Miller auch mit Kontrollproben von Samen gearbeitet hätte, um andere Faktoren auszuschließen, die das Pflanzenwachstum im Messzeitraum gefördert oder zuvor gebremst haben könnten; außerdem zog er nicht in Erwägung, dass die Worralls womöglich gar nicht die Samen, sondern das Messinstrument beeinflussten - ein Phänomen, mit dem Psychokinese-Forscher zu rechnen gelernt haben.
Drei Jahre
zuvor, 1969, wurde in Arlington Heights, einem Vorort von Chicago, eine der ehrgeizigsten, aufwendigsten und ausdauerndsten Initiativen zur Erforschung des Fernheilens geboren, die bisher außerhalb des akademischen Wissenschaftsbetriebs entstanden sind: "Spindrift". (Spindrift, ein in kaum einem Wörterbuch auffindbares Wort, bedeutet die Gischt auf den Spitzen hoher Meereswellen im Sturm. "Dieser Name", so erläutert die Initiatoren, "symbolisiert die Spitzen von
Wellen und Wind an der Schnittstelle zwischen sichtbarer Materie und unsichtbarem Bewusstsein".) Gegründet wurde Spindrift von zwei langjährigen Praktikern der "Christlichen Wissenschaft", Bruce Klingbeil und seinem Filius John. Oft genug waren sie der heilenden Kraft des Gebets begegnet - aber auch jeder Menge Zweifeln daran. Ihr Anliegen war es, dafür nun endlich wissenschaftlich einwandfreie Beweise beizubringen, und dies schien ihnen am ehesten mit solchen Targets möglich,
denen schwerlich unterstellt werden konnte, auf Placebos hereinzufallen. Ab 1969 probierten sie voller Enthusiasmus rund siebzig Versuchsanordnungen durch; aus ihnen schälten sich dann allmählich mehrere Dutzend Standardexperimente heraus, die durchweg positiv verliefen und den Klingbeils überzeugend genug erschienen: unter anderem mit Hefe, Mungos, Sojabohnen und Schimmelpilzen. Daraufhin riefen sie die Stiftung "Spindrift Research" ins Leben, "gewidmet der wissenschaftlichen
Erforschung des Bewusstseins und des Heilens durch Gebet mittels experimenteller Tests (...) an der Schnittstelle von Religion und Wissenschaft". (Bis heute organisiert "Spindrift Research" in Albuquerque, New Mexico, eine alljährliche Konferenz über Bewusstseinsforschung.) Bald flossen ihr so viele Spendengelder zu, dass sie von 1975 an mehrere Wissenschaftler in Vollzeitjobs für ihre Sache einspannen konnte. Die Ergebnisse ihrer Experimente veröffentlichten die Klingbeils
1993 auf 396 Seiten in The Spindrift Papers. Methodisch wurde dabei immer gleich vorgegangen: Tausende von Pflanzen einer bestimmten Art wurden zunächst in eine "Behandlungsgruppe" und eine "Kontrollgruppe" aufgeteilt; für die erste wurde gebetet, für die zweite nicht. So will Spindrift beispielsweise bei 14'000 Mungobohnen, die 24 Stunden in einer Salzlösung lagen und anschließend derart unterteilt wurden, neun Tage später festgestellt haben: Bei jenen Bohnen, für die
gebetet worden war, hatten sich über 85 Prozent mehr Sprossen gebildet. Auch ergab sich dabei angeblich, dass "zielgerichtete" Gebete, die auf einen bestimmtes Ergebnis aus sind, häufig deutlich andere Effekte zeitigen als "ungerichtete", in denen "das Beste" des Targets im Vordergrund steht. Auch wenn das Spindrift-Material teilweise beeindruckende Daten enthält, spielt es in der wissenschaftlichen Diskussion ums Fernheilen nicht annähernd jene Rolle, die ihre
Urheber ihm zudachten. Zu hartnäckig hält sich der Verdacht, dass in religiösem Übereifer manche Befunde geschönt, andere unter den Teppich gekehrt worden sein könnten.
Im selben Jahr, in dem die Klingbeils ihr "Spindrift"-Projekt in Angriff nahmen, erschien in den USA ein Buch, das sie inspiriert haben könnte: The Power of Prayer on Plants ("Die Macht des Gebets bei Pflanzen").18 Darin schildert der Amerikaner Franklin Loehr eine Reihe von Experimenten, in denen er
Samen, vorzugsweise von Mais oder Weizen, in identische Schalen pflanzte; für einen Teil davon betete er dann, sie mögen schneller wachsen und keimen. Sorgsam achtete er auf gleiche Erde, gleichviel Wasser, gleiches Licht für alle Schalen. Manchmal richtete er seine Gebete auch auf den Inhalt der Gießkanne. In drei von vier Fällen sollen die Samen in der gewünschten Richtung "reagiert" haben - mit einem Wachstumsvorsprung von 30 bis 40 Prozent, vereinzelt sogar von 100 bis 200
Prozent, wie Loehr versichert. Allerdings sind auch seine Forschungsberichte so lückenhaft ausgefallen, dass eine Beurteilung schwerfällt. Literaturhinweise in Fernheilen, Band 2.
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